Aufstand der Armen?
Auch im Westen steigt die Zahl der Bedürftigen stark an. AZ-Redakteur Michael Heinrich zu dem jüngsten Armutsbericht.
Reicher Westen, armer Osten. Die wirtschaftliche Zweiteilung Deutschlands nach der Wiedervereinigung ist bittere Realität, auch wenn der damalige Kanzler Kohl den neuen Bundesländern „blühende Landschaften“ versprochen hatte.
Dass daraus eher eine „Trockensteppe“ geworden ist, machen auch die Zahlen aus zwei aktuellen Studien zur Armut deutlich. Während in manchen Regionen östlich der Elbe bis zu 27 Prozent der Menschen als arm gelten, sind es in manchen westlichen Bezirken „nur“ 7,4 Prozent. Das ist ein so krasser Unterschied, wie er innerhalb eines Staatsgebietes eigentlich gar nicht vorkommen darf, in dem man annähernd gleichwertige Lebensverhältnisse erwarten darf. Die Konsequenzen sind noch gar nicht absehbar.
Wie nach der Wende werden noch mehr Bürger der ehemaligen DDR in den „goldenenWesten“ drängen.
Aber auch in den alten Bundesländern fällt eine wachsende Zahl von Menschen in diese unterste soziale Kategorie. Wenn hier bereits jeder Achte nicht mehr genug zum Leben hat, zeigt sich: Armut ist kein regionales, sondern ein Verteilungsproblem zwischen Oben und Unten.
Man mag das Klischee gar nicht mehr strapazieren, aber man muss: Wenn die Armen immer ärmer (und zahlreicher) werden, die Reichen immer reicher und Milliarden Steuergelder in Banken und Unternehmen geblasen werden, dann ist etwas faul in dieser Gesellschaft. Und dann darf sich niemand wundern, wenn soziale Unruhen nur noch eine Frage der Zeit sind.