Auf geht's, Herr Mehdorn!
BERLIN Er mag’s ja, wenn ihm der Wind ins Gesicht weht. So gesehen wurde Hartmut Mehdorn gestern richtig glücklich. Der 70-jährige Ex-Bahn-Boss trat um sieben Uhr zu seinem ersten Arbeitstag bei der Betreibergesellschaft des Pannen-Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) an. Die Mega-Baustelle wartet mit vielen Rekorden auf – unter anderem mit einer Liste mit 40000 Mängeln.
Er bekommt 600000 Euro im Jahr, plus Erfolgs-Bonus. Laut „Bild“-Zeitung erhält Mehdorn 600000 Euro Grundgehalt plus einen leistungsabhängigen Bonus von 150 000 Euro. Nicht besonders viel, verglichen mit seinen bisherigen Jobs. Schlecht für ihn: Anders als bei Politikern, die den Flughafen inspizieren, wird auf sein Nervenkostüm keine Rücksicht genommen. Er bekommt jetzt die ganze Wahrheit zu sehen – und die ist hässlich.
Führungskräfte suchten das Weite. Beispielsweise kann das Licht auf der Großbaustelle nicht ausgeschaltet werden: zu kompliziert, etliche Unterlagen fehlen, keiner weiß mehr, wo der Lichtschalter ist. Viele wichtige Führungskräfte, deren Wissen Mehdorn eigentlich bräuchte, haben in den letzten Wochen gekündigt. Das Chaos nervt, und alle haben Angst, dass ihnen die Schuld für eine weitere Verzögerung in die Schuhe geschoben wird.
Der Flughafen BER - ein potemkin'scher Airport. Ein früherer Mitarbeiter der Betreibergesellschaft berichtete jetzt in der ARD-Dokumentation „Pleiten, Pech und Peinlichkeiten“, wie offizieller Besuch am Flughafen bisher hinters Licht geführt wurde. In Strategierunden, die vor der Ankunft von Entscheidungsträgern zusammenkamen, habe man überlegt, welchen Weg man den Politikern am besten zeigen könne: „Wir haben das immer Walt-Disney-Pfad genannt“, sagte der Insider. Man habe unter anderem Türen versperrt, „damit man auf keinen Fall in Räume schaut, wo Kabel von der Decken hängen, wo es nach Rohbau aussieht“. Die Aktionen auf der Baustelle habe eine Reinigungsfirma über Nacht mit 50 bis 60 Mitarbeitern bewältigt. Sie hätten 40000 bis 50000 Euro gekostet. Solche haarsträubenden PR-Maßnahmen wird sich Mehdorn womöglich verkneifen. Auf der Liste seiner Aufgaben: einen Lärmschutz-Kompromiss mit den Anwohnern finden, die verunsicherten Airlines und Investoren bei der Stange halten und den bis an den Rand belasteten Flughafen Tegel funktionsfähig halten. Aufsichtsrats-Chef Matthias Platzeck versprach ihm wenigstens Unterstützung: „Herr Mehdorn bekommt die Freiheit, die er braucht“, sagte er gestern.