Ärzte-Skandal: Kopfgeld für Patienten

Deutsche Krankenhäuser zahlen häufig Geld, damit ihnen niedergelassene Ärzte Patienten überweisen – bis zu 1000 Euro. Nicht nur für Patientenschützer ist dies ein handfester Skandal.
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Geld durch Überweisung: Zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten laufen illegale Deals.
AP Geld durch Überweisung: Zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten laufen illegale Deals.

BERLIN - Deutsche Krankenhäuser zahlen häufig Geld, damit ihnen niedergelassene Ärzte Patienten überweisen – bis zu 1000 Euro. Nicht nur für Patientenschützer ist dies ein handfester Skandal.

Haben viele deutsche Ärzte gar kein Rückgrat mehr? Führende Ärztevertreter haben gestern bestätigt, dass immer mehr niedergelassene Mediziner Geld verlangen, bevor sie Patienten ins Krankenhaus überweisen. „Dass niedergelassene Ärzte von Krankenhäusern Prämien für die Einweisung von Patienten erhalten, und das offenbar im großen Stil, ist ein unfassbarer Skandal“, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung am Montag in Berlin.

Geld für Patienten – das ist mittlerweile eine gängige Praxis in deutschen Krankenhäusern. Unter Beteiligten wird sogar von „Kopfgeld“, „Zuweisungsprovisionen“ oder „Fangprämien“ gesprochen. In konkreten Fällen geht es um Hunderte Euro. Hüftoperationen kosten zwischen 800 und 1000 Euro. Manche Ärzte lassen sich sogar erst die Überweisung des Patienten bezahlen, sich dann als Belegarzt zur Behandlung hinzuziehen – und können so doppelt kassieren.

Das lohnt sich für die Krankenhäuser trotzdem, da die teuren Klinikbetten sonst oft tagelang leerstehen. „Das sind nicht mehr nur Einzelfälle wie vor zwei oder drei Jahren“, bestätigte Rudolf Köster, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die umstrittene Praxis geht offenbar quer durch alle Fächer und lässt sich in bestimmten Regionen Deutschlands verstärkt beobachten. Ob ähnlich wie in Baden-Württemberg auch niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser in Bayern von diesen Machenschaften betroffen sind, konnten DKG und die Bayerische Krankenhausgesellschaft am Montag noch nicht bestätigen. Ausschließen lasse sich dies jedoch nicht.

"Das ist total verboten"

Für das deutsche Gesundheitswesen ist die Nachricht ein Schock. Denn natürlich geht es auch um den guten Ruf deutscher Mediziner. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, stellt klar: Geld für eine Einweisung zu kassieren, sei „total verboten“. Das untersagt die offizielle Musterberufsordnung für Ärzte. Die entscheidenden Hinweise auf die illegalen Geschäfte kamen wohl von Seiten der Krankenhäuser, die sich gegen schwarze Schafe in ihren eigenen Reihen zur Wehr setzen wollen.

Dass sich viele Krankenhäuser trotzdem auf die illegalen Deals einlassen, kann Hoppe nur so erklären: „Diese Anreize sind so massiv, dass die Krankenhäuser die Verführungen, die aus dem vertragsärztlichen Sektor kommen, gerne aufgreifen.“ Eine Folge dessen, dass das deutsche Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren zunehmend kommerzialisiert wurde.

Patientenschützer Egon Brysch legt nach. „Die Opfer solcher Machenschaften sind die Schwerstkranken und Sterbenden“, sagt er. In ihren letzten Lebensmonaten würden die Patienten unnötig zwischen Pflegeheim und Krankenhaus hin und her überwiesen – im Schnitt fünf Mal. Wie schön niedergelassene Ärzte mit ihren Sonderkonditionen verdienen, rechnet die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) vor: Das 10- bis 20-Fache des normalen Honorars könnten Urologen verdienen – pro Quartal und Patient.

Carsten Eberts

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