Die Schrankwand auf dem Highway

Wie fühlt es sich an, mit Ami-Autos unterwegs zu sein, die bei uns nicht angeboten werden? Wir haben es in den USA mit zwei Exemplaren ausprobiert.
von  Klaus Brieter
Der Ford Expedition zeigt sich als großzügig dimensionierter Van mit dem Charme einer Schrankwand.
Der Ford Expedition zeigt sich als großzügig dimensionierter Van mit dem Charme einer Schrankwand. © Ford

Wie fühlt es sich an, mit Ami-Autos unterwegs zu sein, die bei uns nicht angeboten werden? Wir haben es in den USA mit zwei Exemplaren ausprobiert.

San Francisco
- Die Detroit Motorshow hat es wieder deutlich gezeigt: Die Amis lieben ihre Monster-Pickups und Vans sowie dicke Motoren. Hauptsache kein Diesel. Kein Wunder, dass man auf amerikanischen Straßen Autos sieht, die in Europa nicht angeboten werden. In Kalifornien ließ Ford jetzt einige Motorjournalisten ausprobieren, wie es sich anfühlt, mit solchen Geräten unterwegs zu sein.

Auf dem Parkplatz von Pebble Beach interessieren uns unter diesem Aspekt zwei Autos ganz besonders: Ford Expedition und F-150. Der Expedition präsentiert sich als großzügig dimensionierter Van mit dem Charme einer Schrankwand und der F-150 als hoch gesetzter Pick-up, dessen bombastischer Chromkühlergrill wie ein Hitzeschutzschild anmutet. Zum Besteigen des Expedition fährt der Wagen über die ganze Länge zwischen den Rädern elektrisch ein solides Trittbrett aus. So lässt sich der Höhenunterschied vom Boden bis zu den Sitzen mit etwas mehr Würde überwinden. Oben angekommen nimmt man neben einer gewaltigen Mittelkonsole Platz, die Fahrer und Beifahrer zuverlässig voneinander trennt. Auch der Kontakt zu etwaigen Mitfahrern im Fond ist wegen der Entfernung eher spärlich. Trotz der flächigen Mittelkonsole ist der Automatikwählhebel nicht dort untergebracht sondern am Lenkrad, wie in den meisten amerikanischen Autos. Man will den Kunden schließlich nicht überfordern.

Nach dem Anlassen brabbelt der 3,5-l-V6-EcoBoostmotor (Doppelturbo) mit 365 PS zufrieden vor sich hin. Beim Tritt aufs Gas schiebt er die Hütte mit Macht an, sodass niemals das Gefühl aufkommt, man sei untermotorisiert. Egal, wie der Expedition gefahren wird, das Triebwerk scheint sich kaum anzustrengen. Aber die Charakteristik des Vans mit seiner indirekten Lenkung und dem wenig dynamischen Fahrwerk ohne ESP mahnt ohnehin zurückhaltenden Gaspedaleinsatz an. Das gilt verstärkt für den FT-150, der ebenfalls mit dem V6-Motor zum Probegalopp bereit steht. Wer will, kann den Pick-up sogar mit einem 5-l-Achtzylinder ordern. Beim FT erstaunt uns, dass es die Konstrukteure geschafft haben, eine Lenkung zu bauen, die nahezu keinen Kontakt zur Straße vermittelt. Sie mutet eher als Teigrührgerät an. In Verbindung mit der Hinterachse, die bei leerer Ladefläche mangels Gewicht bei Straßenunebenheiten schnell die Traktion verliert, werden vorgewählte Richtungsänderungen besonders in Kombination mit Bodenwellen spannend. Da breitet sich flugs Ratlosigkeit im Fahrwerk aus, die dann unmittelbar an den Fahrer weitergereicht wird.

Überflüssig zu erwähnen, dass der Wendekreis so groß erscheint wie der eines Flugzeugträgers. Aber in Amerika ist zwischen der Ost- und Westküste genug Platz zum Wenden. Und warum lieben die Amis ihre Pick-ups so sehr, dass allein Ford dort von der FT-Reihe pro Jahr deutlich über eine halbe Million an den Mann bringen kann? Wahrscheinlich träumen sie davon, das letzte Bison mit ihrem Auto zu erlegen und das Wildbret auf der Ladefläche zum Portionieren für die Kühltruhe nach Hause zu schaffen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.