Zwergenaufstand

Bunt, albern, aber nicht blöd: Tarsem Singh variiert in „Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen” mit viel Witz das Märchen der Brüder Grimm
Florian Koch |
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Wer ist die Erfolgreichste im ganzen Land? Diese Frage stellt man sich in diesem Jahr in Hollywood, wenn es um „Schneewittchen” geht. Ob die Analysten dabei in einen Spiegel sehen, ist eher unwahrscheinlich. Einen leichten Vorsprung im Blockbuster-Wettstreit hat aber auf jeden Fall „Spieglein Spieglein” von Tarsem Singh. Der indische Bildermagier („The Fall”) musste seine bunte, familientaugliche Verfilmung des populären Märchenstoffs im Schnellschussverfahren fertig stellen, um das aufwändigere Konkurrenzprodukt „SnowWhite And The Huntsman” (Starttermin: 31. Mai) wenigstens zeitlich abzuhängen.

Erstaunlich, dass Singh unter diesem Druck ein solch einfallsreicher und künstlerisch überzeugender Film gelungen ist. Gleich im Einstieg macht er aber klar, dass man sich von den gängigen Motiven aus dem Grimmschen Volksmärchen verabschieden muss. Mit gimmiger Grabesstimme erklärt die böse Königin aus dem Off, dass sie hier ihre Geschichte, und nicht die von Schneewittchen erzählen will. Das dieser Versuch irgendwann schief gehen muss, ist natürlich auch klar.

Aber Schneewittchen ist auf den ersten Blick wirklich nicht mehr als das unschuldige, naive Mädchen, das den Verlust ihres Vaters betrauert. Doch ihre riesigen Theo-Waigel-Gedächtnisaugenbrauen machen allein schon optisch deutlich, dass in ihr eine mutige Kämpferin steckt. Um diese Kräfte aus ihr herauszukitzeln, benötigt sie jedoch die Hilfe der sieben Zwerge. Die sind in „Spieglein Spieglein” keine gemütlichen Rauschebartträger, sondern glorreiche Halunken, die wie Robin Hood in den Wäldern hausen und auf Stelzen ihre Überfälle durchführen. Nur die Idee vom „Geld an die Armen zurückgeben” muss Schneewittchen der Revoluzzer-Truppe, bestehend aus Latinos, Asiaten und anderen „Ausgestoßenen”, noch erklären.

Die Szenen zwischen Mampf, Grummel, Grins und wie die Gnome alle heißen und Schneewittchen gehören zu den witzigsten des ganzen Films. Aber auch die Liebesscharmützel der abgebrannten Königin und dem arglosen Prinzen haben es in Sachen Situationskomik in sich.

Julia Roberts genießt es sichtlich, in prachtvoll-verspielten Gewändern die narzisstische Herrscherin zu geben. Ihre Mutmach-Zwiegespräche mit dem faltenfreien Spiegelbild und ihre Ekel-Schönheitskur mit Bienenstichen als Lippenaufspritzersatz sind herrlich selbstironisch. Aber den Vogel, oder besser den Hasen, schießt Armie Hammer als Prinzen-Toyboy ab. Entweder macht er sich oben ohne mit Karnickelohren zum Kaninchen oder er hechelt als liebestoller Hund Mrs. Roberts hinterher. Wenn das nicht mal eine Anmache mit Wau-Effekt ist!

Kino: Cinema (OV), CinemaxX, Mathäser, Münchner Freiheit, Royal
R: Tarsem Singh (USA, 106 Min.)

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