Zwei Seiten des Krieges
Armin Petras bastelt aus zwei Stücken von Goldoni und Kleist einen denkwürdigen Abend in den Kammerspielen
Es ist ein kühner Spagat, den Regisseur Armin Petras in den Kammerspielen wagt - und dabei gewinnt. Seine Inszenierung "Der Krieg" klammert Goldonis Komödie "Der Krieg" und Heinrich von Kleists Dramenfragment "Robert Guiskard" zu einem janusköpfigen Theaterabend zusammen. Goldoni sorgt für schrille, operettige Unterhaltung, danach zwingt Kleists Sprach- und Denkgebäude zum konzentrierten Hinhören. Die bewusst nicht überbrückte Leerstelle zwischen den konträren Sichtweisen auf den Krieg kann jeder Zuschauer selbst besetzen mit Assoziationen von Afghanistan bis Afrika. Nach zwei Stunden begeisterter Beifall.
Goldoni beleuchtet in "La Guerra" die Ränder des Krieges: Offiziere, die auf den Befehl zum Angriff warten, verzocken im Casino ihr Vermögen. Davon profitiert mit Wucher und Betrug ihr Wirt, Kriegsgewinnler Polidoro (Peter Jordan).
Alle lieben den Krieg
Ganz die Tochter dieses Vaters ist die berechnende Aspasia (Wiebke Puls), und die nicht minder gerissene Kleinhändlerin Orsolina (Regine Zimmermann) kriegt am Ende sogar Polidoro mit seinen eigenen Mitteln klein. Alle lieben den Krieg, vom Feldherrn bis zum Krüppel. Nur das Fräulein Florida (Tabea Bettin) leidet: Der bebrillte Blaustrumpf liebt den feindlichen Hauptmann Faustino (Lasse Myhr), der dummerweise gegen ihren Vater, den Festungskommandanten (Peter Brombacher), kämpfen muss.
Aus dem Stand entwickelt Petras mit seinen hervorragenden Schauspielern eine zunehmend greller werdende Komödiantik. Immer geht es um Gier, Gewalt und schnellen Sex. Die heutigen Kleider weichen grotesken Operetten-Kostümen (von Karoline Bierner) samt Perücken, das Spiel kippt in ein artifizielles Singspiel mit hinreissenden Gesangsnummern. Florida wird samt Kleid an die Wand getackert, Polidoro zeigt seine Männlichkeit nackt vor und wird von der draufgängerischen Orsolina überweibt, die Zocker fluchen italienisch, selbst ein Schaf und ein Huhn müssen als Kriegsbeute leibhaftig auf die Bühne. Goldonis Happy End schenkt sich Petras.
Die Pest wütet
Dann kracht die Wand nach hinten und gibt den Blick frei auf eine leere Schräge mit zwei grossen Portalen (Bühne: Susanne Schuboth). Da liegen Menschen - Tote, Kranke? Die Darsteller, jetzt in abgerissener Strassenkleidung, formieren sich zum chorischen Ensemble unter Führung ihres Sprechers Armin (Thomas Schmauser). Weil die Pest wütet, will das vor Konstantinopel lagernde Heer des Normannenherzogs Robert Guiskard heim ins Reich. Zumal das Gerücht geht, der Feldherr sei selbst erkrankt.
Wie die Vertreter der Macht mit Lügen das Volk beschwichtigen und widersprüchlich abwiegeln, ist uns bekannt - auch wenn Petras Kleists klassische Form nicht verlässt und sich keinerlei Anspielungen erlaubt. Guiskards Sohn (Edmund Telgenkämper) und sein Neffe (Steven Scharf) streiten schon im wilden Ringkampf um die Nachfolge, als der Feldherr seinen letzten verlogenen Auftritt inszeniert: Selbst nach einem Schwächeanfall demonstriert Guiskard (Thomas Lawinky) nackt auf einer riesigen Trommel sitzend noch Stärke bis zum Umfallen. Ein Abend mit vielen Denkanstössen.
Gabriella Lorenz
Kammerspiele, 15., 19., 31. März, 20 Uhr, Tel. 233 966 00
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