Zwei Herzen im Galopp

Die ganz großen Gefühle sind heute noch möglich, zumindest im Kino: Steven Spielberg glaubt daran und erzählt in seinem altmodischen Abenteuer „Gefährten” vom Menschlichen aus Pferdesicht
von  Florian Koch

7Wild galoppiert ein Pferd durch die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Es flieht vor dem Kugelhagel. Doch plötzlich wird es niedergerissen – der edle Hengst hat sich im Stacheldraht verhakt. Und je mehr er sich wehrt, desto tiefer bohren sich die Metalhaken in sein Fleisch. Aber es geschieht ein Wunder. Ein kurzer Waffenstillstand wird beschlossen, damit das Tier von einem deutschen und einem englischen Soldaten von dem Draht befreit werden kann. Es ist ein kurzer Moment des Innehaltens, der Hilfe über Feindesgrenzen hinweg.

Die beeindruckendste Sequenz von „Gefährten”, Steven Spielbergs für sechs Oscars nominiertes Kriegsdrama, gibt auch seine wenig überraschende Essenz wieder: Selbst im unmenschlichsten Gemetzel gibt es Momente der Menschlichkeit. Für die Betonung des humanitären Gedankens wählt Spielberg in seinem Film eine ungewöhnliche Erzählperspektive – die des Pferdes Joey.
Von Kriegsgräueln spürt man in „Gefährten” zu Beginn noch nichts, aber richtig harmonisch geht es in einem Kaff in der englischen Einöde auch nicht zu. Die Narracotts schuften hart, um auf ihrer Farm anständig leben zu können. Unglücklicherweise hat sich Familienoberhaupt Ted dazu hinreißen lassen, ein Pferd für eine Wahnsinnssumme zu ersteigern. Dabei sind die Narracotts hoch verschuldet, ihnen droht der Verlust der Farm. Nur einer hat noch Hoffnung: Teds Außenseiter-Sohn Albert, der sich liebevoll um den Sündenbock Joey kümmert. Ihre Tier-/Mensch-Beziehung geht weit über das Normalmaß hinaus. Deswegen wiegt Teds Entscheidung auch umso schwerer, Joey nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs weiterzuverkaufen.

„Gefährten” basiert auf dem Roman von Michael Morpurgo und Nick Staffords Theaterstück, in dem die Pferde noch als Puppenfiguren dargestellt wurden. Spielberg setzt in seinem aufwändigen Gefühlsfilm auf echte Tiere, die von Spezialisten betreut wurden. Aber es gelingt ihm erst nach langem Anlauf, echte Emotionen zu erzeugen. Zu plakativ ist die Figurenzeichnung, zu schwerfällig die Dramaturgie. Dennoch bleibt es bemerkenswert, dass man sich in unserer Zeit an ein so hemmungslos altmodisches Filmabenteuer heranwagt.

Kino: Mathäser, CinemaxX, Münchner Freiheit, Royal. R: S. Spielberg (USA, 146 Min.)

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