Zum Valentinstag: Die Neuauflage des dichterischen Liebeshandbuchs

Aschermittwoch? Nein: Valentinstag! Und schon vor 2.000 Jahren pfiff der Dichter Ovid auf Treue, beschwor die freie Liebe - und wurde für seine "Liebeskunst" in die Verbannung geschickt.
Adrian Prechtel |
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Was gilt es bei der Verführung zu beachten? Der Dichter Ovid glaubte diese Frage schon vor 2000 Jahren zu beantworten.
dpa Was gilt es bei der Verführung zu beachten? Der Dichter Ovid glaubte diese Frage schon vor 2000 Jahren zu beantworten.

Was die Katholiken gerne trennen würden, haben Griechen und Römer selbstverständlich vermischt: Sex und Liebe. Aber man konnte es auch zu bunt treiben!

Jedenfalls bekam vor 2010 Jahren der berühmteste Dichter seiner Zeit, Publius Ovidius Naso, beim Urlaub mit Freunden auf Elba einen knallharten Brief - vom Kaiser Augustus: Verbannung aus Rom ins heutige Rumänien, ans Schwarze Meer, in die Hafenstadt Tomis, heute Constanza!

Was hat das mit dem heutigen Aschermittwoch zu tun? Wenig, denn Ovid übte keine Buße, schrieb aber zig vergebliche Gnadengesuche, bis er fernab der Hauptstadt der Welt, getrennt von Frau, Kind und Kegel am Schwarzen Meer starb.

Aber in diesem Jahr fällt der Beginn der lustfeindlichen Fastenzeit ja mit dem Tag des Valentin von Terni zusammen, dem Heiligen der Verliebten, der als Priester heimliche Liebespaare christlich getraut und mit Blumen aus seinem Garten beschenkt haben soll. Dafür wurde er am 14. Februar 269 enthauptet. Und seine Überreste liegen jetzt in Rom in Santa Maria in Cosmedin, der Kirche der "geschmückten Maria".

Der Konflikt mit der Politik

Zum Valentinstag wiederum passt das Grundlagenwerk der Liebeskunst: Ovids "Ars amatoria" - das Werk, mit allen Mitteln der Verführungskunst gewaschen, das ihm die Verbannung einbrachte. Denn - und das ist eine Verbindung zu 1968: Über Liebe und Sex zu schreiben ist politisch. Wer gegen vorherrschende Rollenbilder verstößt und die Kunst des freien Liebens preist, begibt sich ganz heiß auf dünnes Eis. Schließlich hatte Augustus sechs Jahre vor Ovids Zwangsexil bereits seine sexuell umtriebige Tochter Julia verbannt. Und im gleichen Jahr wie Ovid traf der Bannstrahl des Kaisers auch noch dessen Enkelin wegen Ehebruchs. Denn der nach außen sittenstrenge Kaiser hatte sehr züchtige Ehegesetze eingeführt (an das er sich selbst aber nicht hielt).

Die "Ars amatoria" zu lesen ist nicht einfach. Es ist ein rhythmisches Gedicht und wimmelt - bei allen Anweisungen - von mythologischen Gestalten. Dennoch ist letztlich alles klar gesagt: Die Frage, wo man am besten - ohne Tinder - eine mögliche Affäre kennenlernen könnte, ist für Ovid klar beantwortbar: im Theater! Denn da kommt man intellektuell interessiert rüber, also kultiviert.

Zweiter guter Ort: ein Pferderennen. Und dort galant der Frau den Staub vom Kleid bürsten. Oder: Der Flohmarkt, weil man sich da en passant als Kenner des Krams zeigen kann und sich beratend lässig in Szene setzen kann.

Eifersucht ist unmännlich, nimm den Nebenbuhler sportlich! Jähzorn ist nur Ausdruck von Schwäche und Komplexen. Und wenn sie einen Ehemann hat, sei ihm ein guter Freund!

Sentimentale Tränen schaden nie

Schmeichle schamlos. Liebesgeflüster - und sei es schamlos übertrieben - darf es auch beim Akt geben, beim Anbahnen und Vorspiel ohnehin. Um die Wahrheit geht es nicht, das weiß jeder, daher sind es auch keine Lügen! Und wo man zu viel versprochen hat: Gott (Jupiter - selbst ein schlimmer Finger) verzeiht den Meineid aus Liebe!

Und sentimentale Tränen schaden nie, selbst der tapferste der mythischen Griechen - Achilleus - weinte um seine Liebe - den Kampfgefährten Patroklos. Und lass' dich von Kühle auf der Gegenseite nicht entmutigen und lobe frech und maßlos weiter: Auch die Prüdesten und Tugendhaftesten sind insgeheim eitel! Und wenn alles nichts nutzt: plötzlich weniger von sich hören lassen!

Die beste Zeit - wen überrascht's? - ist laut Ovid der Abend und nachts, weil da alle Katzen grau sind, also körperliche Unzulänglichkeiten nicht so ins Auge stechen. Wenig Licht also, um nicht zu viel Wahrheit ans Licht zu bringen. Ein Tipp an kurzbeinige Frauen: Männer lässig auf der Couch empfangen und die Füße unter dem Kleid nicht rausspitzen lassen, so dass man optisch nicht Maß nehmen kann.

Das bayerische Fensterln - auch übers Dach - empfiehlt schon Ovid im alten Rom, weil es mutig-abenteuerlich wirkt und so was hermacht!

Wie viel Alkohol darf im Spiel sein?

Bleibt die Frage, auch weil gerade der Fasching vorbei ist: Wieviel Alkohol darf im Spiel sein? Bei Ovid kann man Benimmregeln nachlesen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden: Der Dichter empfiehlt dem Mann zu einer Trinkeinladung sanft zu spät zu kommen (Wichtigkeit suggerieren!). Außerdem lässt man so den anderen einen Trinkvorsprung. Den Angetrunkenen scheint man dann auch schöner. Aber Schöntrinken hat Grenzen. Also: Vor den anderen aufhören - auch mit dem Essen. Trunkenheit und Gier machen Mann und Frau unappetitlich. Beispiel: Paris hätte selbst die schöne Helena nicht geraubt, wenn sie beim Kennenlernen unappetitlich voll zugelangt hätte.

Einen Tipp hat Ovid noch für Frauen: Niemals vor dem Mann schminken oder Schminkzeug - oder gar Haarfärbemitteltuben - rumstehen lassen. Auch wenn das Ergebnis noch so schön ist: Der Mann will ästhetisch belogen werden und keine Illusionen verlieren. Ob Ovid SMSen akzeptiert hätte? Er jedenfalls schlägt natürlich Briefe vor.

Das alles hat dem 50-jährigen Ovid die staatliche Ächtung eingebracht. Vor zwei Monaten hob der römische Stadtrat - als Nachfolger des Kaisers, des römischen Senats und Volkes - die Verbannung symbolisch auf, "um schweres Unrecht zu reparieren".

Im Galiani Verlag (Berlin, 384 Seiten, Leinen, 39,90 Euro) ist eine opulente Neuausgabe von Ovid "Liebeskunst" erschienen. Der schön gedruckte, deutsche Text (im Versmaß übersetzt) ist umgeben von ausführlichen, klar verständlichen wissenschaftlichen Kommentaren zu den unendlichen Anspielungen, Orten in Rom und textlichen Raffinessen und Vergleichen. Deutsche Textgrundlage ist die Übersetzung von Wilhelm Hetzberg aus dem 19. Jahrhundert und dessen Bearbeitung durch Franz Burger Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Wissenschaftler Tobias Roth, Asmus Trautsch und Melanie Möller steuern die aktuellen Kommentare auf dem heutigen Kenntnisstand bei.

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