Zum Rocken gezwungen
Der Musiker, Autor und Songpoet Georg Ringsgwandl ist wieder da – mit „Untersendling“, einem echten Meisterwerk
Er gehörte in den 80ern zu den Ersten, die bayerische Kultur ohne die gängigen Klischees präsentierten. Nun erscheint, drei Jahre nach dem bisher letzten, wieder ein Album von Georg Ringsgwandl: „Untersendling“, eine grandiose, intensive, energiegeladene Rock-Platte.
AZ: Herr Ringsgwandl, auf Ihrem neuen Album ist etwas mit großer Energie aus Ihnen herausgeplatzt. Woher kommt die Überdosis Liebe, Kraft und Rock’n’Roll?
GEORG RINGSGWANDL: Das holt man nicht so einfach aus der Luft. Das ist schon mit einer Riesenarbeit verbunden.
Man hat das Gefühl, da hat sich einer mal richtig geschüttelt – und dann ist was passiert. Aber was?
Ich arbeite mit Musikern zusammen, die 20 bis 40 Jahre jünger sind als ich. Da gibt es natürlich eine Auseinandersetzung mit denen. Wenn ich das Album alleine gemacht hätte, würde es anders klingen.
Ruhiger? Gelassener?
Nein, mehr so wie die Popsongs in meiner Jugend: runder, gefälliger. Etwa die erste Nummer über die schöne Bäckereiverkäuferin – die hatte ich als normalen Popsong mit schönen, komplexen Harmonien geschrieben. Der Schlagzeuger und der Bassist ließen das kräftig zusammenschnurren auf nur noch eine Tonart, die jetzt ganz durchläuft.
Die haben Sie zum Rock’n’Roll gezwungen!
Das sind so Sachen, die von den Jungen kommen. Manchmal dachte ich, das ist zu konventionell, zu oft dagewesen. Dabei ist es für die Jungen ganz neu. Die finden Sachen cool, bei denen ich sage, das ist doch komplett retro. Aber mit solchen Auseinandersetzungen gewinnt man Lebendigkeit, das hält frisch.
Für was steht Untersendling? Fürs Stadtviertel? Die Welt?
Nicht für die ganze Welt. So totalitär ist mein Anspruch nicht. Untersendling ist die Klammer des Albums, hier entstanden die meisten Songs.
Woher kommt auf Ihre alten Tage… Entschuldigung!
Das ist schon so: Das sind die alten Tage!
Woher kommt auf Ihre alten Tage diese Kiez-Romantik?
Das ist es nicht. Mir geht’s nicht um so eine spießige Kita-Öko-Kiez-Ecke. Ich bin seit 1979 in Untersendling. Es ist kein besonders schönes Viertel. Da gibt's ein paar Grattler, keine reichen Leut’, keine wirklich schicke Kneipenszenerie – aber eine gewisse Grundvitalität. Das gefällt mir. Die Leute wurschteln und ackern und scheitern so vor sich hin. Untersendling ist unaffektiert, dafür laufen nicht diese Wahnsinnsfrauen herum wie in Schwabing.
Manchmal auch ein Vorteil...
Ja, das kann das Leben speziell im Frühling wesentlich leichter machen.
Gerüchteweise ist der Ringsgwandl zuhause ausgezogen.
Nein, nein. Das habe ich schon vor Jahren gehört, aber ich weiß nicht, woher das kommt. Ich bin mit meiner Frau zusammen und wohne auch bei ihr. Ich nehme auch keine illegalen Drogen.
Wir wollten das nur mal geklärt haben. Im Ernst: Ist „Untersendling“ Ihre beste Platte seit „Trulla! Trulla!“?
Schwer zu sagen. Seit 20 Jahren schreibe ich Songs und versuche natürlich immer besser zu werden. „Untersendling“ ist jedenfalls meine erste wirkliche Rock-Platte.
Auf dem Album ist nur ein Song zur allgemeinen Krisenlage: „Die Welt im Krieg“. Sie wollten offenbar keine Welterklärungsversuche, sondern runterzoomen…
Keine Welterklärung! Es geht um das, was wir erleben, um konkrete Situationen. Aus Appell, Protest oder Anklage halten wir uns komplett raus.
Das Altwerden wird immer mehr Ihr Thema.
Jaja. Das ist nun mal Teil unserer Realität. Ich habe meinen 60. Geburtstag nicht öffentlich gefeiert, bin auf Tauchstation gegangen. Man kann natürlich damit kokettieren, wie jung man sich fühlt, aber mit der Realität muss man zurechtkommen.
Der berührendste Song ist „Jünger innen drin“ – übers frühe Altsein und späte Jungsein.
Das habe ich ursprünglich für jemanden geschrieben, der auch 60 wurde. Eine Frau. Letztes Jahr im Juni, ganz schnell, in einer Dreiviertelstunde.
In dem Lied sagt es endlich mal einer: Die Jungen sind steinalt und umgekehrt!
Man wünscht sich, dass es so ist, und zum Teil stimmt’s auch ein bissl. Aber es ist auch Ironie und Koketterie. Wenn einer mit 60 meint, er habe die Seele von einem 20-Jährigen, dann ist er eigentlich ein klinischer Fall, ne? Ich habe jedenfalls mit 60 das Gefühl, erwachsen geworden zu sein. Das ist schon mal ein Vorteil.
Beruhigend, dass immer noch schöne Verkäuferinnen besungen werden müssen.
Ein Thema seit der Antike!
Früher sagten Sie, Sie sehen sich in der Tradition der Narren und Clowns. Jetzt heißt es im Lied „Futtermais“: „Ich war ein Bauerndepp, aber jetzt bin ich Mann von Welt.“ Ist das Lyrik oder spricht Herrn Ringsgwandl?
Das ist zum Teil eine Ironie auf die Typen, die glauben, sie hätten’s g’macht. Aber hauptsächlich ist das eine ironische Betrachtung meines eigenen Werdegangs. Ich bin ja wirklich aufgewachsen in katholisch-repressiven Kleinstadtverhältnissen wie ein Volltrottel. Dann hab’ ich mich bemüht, was dazuzulernen. Ob’s geklappt hat? Ich kann jetzt zumindest mit Messer und Gabel essen, das ist doch schon mal was.
Michael Grill