„Zu Hansi Hinterseer kommen mehr als zu uns"
Seit dreißig Jahren stehen Gerhard Polt und die Biermösl Blosn gemeinsam auf der Bühne. So ganz zufrieden sind sie immer noch nicht
Der Abend heißt einfach „30 Jahre Gerhard Polt und die Biermösl Blosn“. So lange stehen der Satiriker Gerhard Polt (66) und die Brüder Christoph (49), Hans (55) und Michael (51) Well als Volksmusikkabarettisten schon gemeinsam auf der Bühne. Das Jubiläum wird am Sonntag um 19.30 Uhr im Residenz Theater gefeiert. Eines ist wie immer: Die Vorstellung ist restlos ausverkauft.
AZ: Auf der Homepage der Biermösl Blosn steht, Sie hätten Gerhard Polt 1982 kennengelernt. Das wären erst 27 Jahre.
MICHAEL WELL: Nein, das war 1979. Ich weiß das genau, weil Gerhards Sohn da geboren wurde. Wir hatten von Gerhard vorher eine Platte gehört, die uns gefallen hat.
CHRISTOPH: Und dann war man halt mal gemeinsam verpflichtet.
HANS: Nach meiner Erinnerung war es im Ostpark, bei einem Stadtteilkultur-Fest. Da hat einer in Strickjacke was von einem Atombunker erzählt, und dann ham mir gemerkt, dass des der ist, der uns mit der Platte „d’Anni hot g’sagt“ schon aufgfalln is.
CHRISTOPH: Da war i net dabei. Der erste Auftritt zu viert war in Freising.
GERHARD POLT: Kenna glernt ham mir uns erst danach im Wirtshaus.
MICHAEL: Nach meiner Version war das erste Zusammentreffen im Bayerischen Rundfunk, da hatten der Polt, der Hüsch und der Hildebrandt so eine Plauderrunde „Unter den Eichen“, und wir ham ein paar Lieder gespielt.
POLT: Ich habe eine vierte Version: I hab gsagt, jetzt is 1979, jetzt lernen wir uns kennen.
Ihr erster Auftritt an den Kammerspielen war 1982
MICHAEL: Da sind wir eingesprungen für eine ausgefallene „Amphitryon“-Premiere. HANS: Da haben wir unsere erste und einzige Kritik von Joachim Kaiser bekommen.
Hätten Sie sich vor 30 Jahren vorstellen können, mal solche Bühnen-Abräumer und Publikumsmagneten zu werden?
POLT: Mir ham uns gar nix vorgestellt, das tun wir auch heute nicht.
HANS: Biertische abzuräumen, das hab ich mir vorstellen können.
CHRISTOPH: Das ist alles absichtslos entstanden. Unser Ziel war, uns einen schönen Abend zu machen mit den Leuten, die da sind.
HANS: Und die bayerische Politik hat ja immer viel hergegeben.
Wie sieht der Jubiläumsabend aus?
POLT: Des wiss mer net. Nach der Vorstellung gehen wir ins Hofbräuhaus, in den ersten Stock. Was vorher ist, wissen wir nicht.
CHRISTOPH: Wir spielen ein paar alte Nummern und neue auch.
HANS: Wir haben geschaut, welche Geschichten keinen Bart haben.
CHRISTOPH: Erstaunlich viele! Das liegt am Wesen des Bayerischen.
POLT: Politiker wiederholen sich gerne. Man hat dann ein Déjà-vu-Erlebnis – das ist ja für sich ein Erlebnis.
MICHAEL: Das hat der Glos jetzt auch erlebt, dass der Seehofer genauso wie die Alten regiert.
Aber Sie gehen doch sicher auf die aktuelle Politik ein?
CHRISTOPH: Auf die aktuelle und die akute.
Was ist der Unterschied?
CHRISTOPH: Die akute hat Brisanz, die aktuelle ist für den Papierkorb.
HANS: Die Abendzeitung ist jeden Tag eine aktuelle Zeitung.
Hängt Ihnen die CSU nicht manchmal zum Hals heraus?
CHRISTOPH: Wir sind an einem wichtigen Etappenpunkt: Wir haben die absolute Mehrheit gebrochen.
POLT: Die CSU ist dabei, historisch zu werden. Historiker sagen, nach zwei Generationen, also nach zwei Mal 30 Jahren, wird etwas historisch.
HANS: Bei Huber und Beckstein ist das schneller gegangen.
POLT: Nach Nero gab es in Rom in einem Jahr drei Zwischenkaiser – Galba, Otho, Vitellius. Manche Schüler müssen die lernen, aber wenn man sie überspringt, macht’s auch nix. Manche historischen Persönlichkeiten glänzen durch Anonymität. Wie der schwedische König Christian von Bayern. Der hat im 15. Jahrhundert regiert und keiner kennt ihn. Wie der Zwischenpapst Johannes PaulI. oder der russische Staatsschef Andropow. Ich glaube, dass Huber und Beckstein in diese Richtung marschieren.
CHRISTOPH: Als Fußnoten.
HANS: Aber sie haben uns begleitet wie dieser großartige Humorist Stoiber.
CHRISTOPH: Und wir sie.
MICHAEL: Die CSU hat für uns gar nicht so viel Bedeutung, wir machen auch gern über andere Themen was.
CHRISTOPH: Interessant ist es, was über die Leute zu machen und über den Sumpf, aus dem sich die CSU entwickelt hat.
POLT: Na, na, Sumpf! Ich würde vorsichtiger sagen: Nährboden.
Herr Polt, was sagen Sie zu Guttenbergs Aufstieg?
POLT: Da sag i gar nix. In den BBC News und bei Al Dschasira war auch noch nix.
Und zu Horst Seehofer? Und Monika Hohlmeier?
POLT: Des interessiert mi net. Mir gefällt aber, dass der Zug von Brüssel nach Straßburg, mit dem die EU-Abgeordneten fahren, Trüffel-Express genannt wird. Und wenn er Verspätung hat, macht das denen gar nix, weil es dann statt eines sechs-Gänge-Menüs eben acht Gänge gibt.
2002 kam am Resi „Crème Bavaroise“ heraus, 2006 „Offener Vollzug“. Planen Sie ein neues Programm?
HANS: Nein. Das ergibt sich oder nicht. Irgendwann entwickelt sich was. Wir sind halt von Natur aus faul.
Wie läuft das ab?
POLT: Semiprofessionell.
CHRISTOPH: Unprofessionell. Aber auf der Bühne müssen wir professionell sein. Der Gerhard und der Hansi machen Brainstorming und schreiben den Plot, ich überleg mir die Musik, dann fangen wir an zu proben.
POLT: Und der Michael muss den Tisch im Hofbräuhaus bestellen.
Sie haben sich 1979 mit Polt auf Anhieb verbrüdert.
HANS: Bei uns dreien war die Verbrüderung ja naturgemäß vorhanden.
MICHAEL: Man merkt schnell, ob das gut zusammen geht. Dass man gern miteinander zum Spielen fährt und auch persönliche Interessen teilt. Ich hab mit dem Gerhard auch eine Zeitlang Tennis gespielt.
HANS: Wichtig ist, dass man gemeinsame Inhalte und Zielsetzungen hat. Wir hatten vorher schon mit Dieter Hildebrandt gespielt und mit Helmut Eckl, aber das war mehr nebeneinander. Mit Gerhard haben wir dann geschaut, wie man die Themen zueinanderstellen kann.
CHRISTOPH: Und es ist wichtig, dass man sich menschlich versteht. Für mich ist jeder Auftritt schön, weil ich dadurch umsonst von Gerhard eine Vorstellung krieg.
POLT: Man trifft sich und hat sich gefunden. Die Intuition muss – wie sagt man das geschwollen? – kongruent sein.
Wollen Sie noch 30 Jahre weitermachen?
CHRISTOPH: Mindestens. Wir hören erst auf, wenn die sozialgemütliche Partei in Bayern die Macht übernommen hat.
Macht es Ihnen Hoffnung, dass Sie im schwarzen Bayern ein so begeistertes, treues Publikum haben?
HANS: Wenn wir Angeber wären, würden wir sagen, dass viele Bayern halt gescheit sind. Bayern ist kabarettistisch gesehen eines der erfolgreichsten Länder der Welt.
POLT: Vorsicht mit Superlativen! Wir wissen ja nicht, wie erfolgreich Kabarettisten in Tadschikistan und Island sind.
MICHAEL: Auf dem Land ist unser Publikum ein Querschnitt der Bevölkerung. Es hat mit der Humorfähigkeit der Menschen zu tun, dass sie sich unsere Provokationen gefallen lassen und schlucken.
HANS: Zu Hansi Hinterseer kommen aber mehr als zu uns.
CHRISTOPH: Da bin ich gar nicht neidisch.
Was wünschen Sie sich für die nächsten 30 Jahre?
POLT: Gesundheit. Die Gaudi machen wir uns selber.
Interview: Gabriella Lorenz