Zorn und Romantik
Francis Ford Coppola reiste nach Cannes, um sich zu beschweren. Jane Campion langweilte mit einer seltsam kalten Künstlerromanze
Er hat hoch gepokert – und verloren. In kurzärmeligem Apricot-Hemd und in Leinenhosen sitzt Francis Ford Coppola gewichtig auf einem Klappstuhl im Apartement-Palais Stéphanie, aber innerlich ist er auf der Palme. Gespielt ungekränkt erklärt er: „So kann ich wenigstens diesen Affenzirkus am Roten Teppich vermeiden.“ Die Regielegende hatte darauf gesetzt, mit seinem Film „Tetro“ im Wettbewerb zu landen.
Schließlich ist Coppola mit gleich zwei Goldenen Palmen (1976: „Heimliche Konversation“, 1979: „Apocalypse Now“) ein König der Croisette. Vor 30 Jahren hatte der ewige Festival-Präsident, Gilles Jacob, sogar für das Vietnam-Epos den Wettbewerb frei geräumt, obwohl es nur unfertig gezeigt werden konnte.
Dirigentendrama
Aber Geschichte lässt sich nicht wiederholen. Wieder hatte Coppola gesagt, sein Film über zwei rivalisierende Brüder in einer Künstlerfamilie mit einem überdominanten Dirigentenvater werde nicht rechtzeitig fertig. Dann war das schwarz-weiße „unabhängig produzierte Autorenwerk“ doch präsentabel.
Nur: Da war der Wettbewerb schon komplett. Man könne den Film ja auch außer Konkurrenz zeigen, schlug Programmdirektor Frémaux zur Güte vor. Coppolas Antwort: „Wettbewerb oder nichts!“ Das Festival ließ sich nicht erpressen. Und Coppola – wieder auf menschliches Maß gestutzt – zeigt seinen Film jetzt in der Nebenreihe für den Autorenfilm.
Romantische Wallungen
Im offiziellen Wettbewerb war Jane Campion („Das Piano“) für ihren Film „Bright Star“ heiß erwartet worden, einem Beitrag über den romantischen Dichter John Keats, der 1821 mit 25 Jahren an Tuberkulose starb. Campion hatte ihn mit dem melancholischen Wuschelkopf, „Parfüm“-Schnupperer Ben Whi-shaw besetzt. Der zeigte, wie schon in „Wiedersehen mit Brideshead“, dass er gerade in historischen Stücken eine verträumte Projektionsfigur abgibt. Nur: Jane Campions Film zündet nicht, obwohl es allein um die – letztlich unerfüllte – Liebe eines liberalen Bürgerstöchterchens zum armen Poeten geht. Blumenwiesen, Wälder, das englische Landhaus, tiefe Gedichte und Briefe – all das lässt kalt. Und die Frage bleibt offen: Was sagen uns diese schwelgerischen, romantisierten Gefühlswallungen, die keine sexuelle Erfüllung finden, in unserem libertinären Heute?
Morgen jedenfalls kommen Monica Bellucci und Sophie Marceau auf den Roten Teppich zur Mitternachts-Gala für den Mystery-Thriller „Dreh’ Dich nicht um“. Und Ang Lee („Brokeback Mountain“) führt ein weiteres Stück US-Sozialgeschichte vor: „Taking Woodstock“.
Adrian Prechtel
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