Willy Purucker: „Wir wussten nichts“

60 Jahre Bayerischer Rundfunk: Anlässlich des Jubiläums erinnert sich Willy Purucker (83), Vater der „Löwengrube“,in der AZ an seine Anfänge beim Radio
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60 Jahre Bayerischer Rundfunk: Anlässlich des Jubiläums erinnert sich Willy Purucker (83), Vater der „Löwengrube“,in der AZ an seine Anfänge beim Radio

Diesen Sonntag vor genau 60 Jahren saß Willy Purucker unten in der Kantine im Rundfunkhaus an der Arnulfstraße – nur ein paar Stockwerke entfernt von einem großen Medienereignis. Der Direktor der Militärregierung in Bayern, Murray D. van Wagoner, übergab am 25. Januar 1949 Intendant Rudolf von Scholtz eine Lizenzurkunde. Aus Radio München, dem Sender der US-Militärregierung, wurde der Bayerische Rundfunk.

„Danach ist Rudolf von Scholtz runter gekommen, hat sich zu mir an den Tisch gesetzt und von der Gründungsfeier erzählt“, erinnert sich Purucker im AZ-Gespräch. „So salopp ging es damals bei uns noch zu.“ Was sich an dem Tag für ihn selbst änderte? „Gar nicht so viel“, sagt Purucker. „Vorher mussten wir den Amerikanern alle Beiträge zum sogenannten ,Clearing’ vorlegen, nun waren es eben die einzelnen Ressortchefs, die zu entscheiden hatten.“

1947 hat Purucker bei Radio München angefangen, später mit mehreren hundert Radio- und TV-Beiträgen, Shows, Dokus, Filmen und Serien BR-Geschichte geschrieben. Ein Selfmade-Typ war Purucker, der sich ohne jede Vorkenntnisse vors Mikro setzte. „Die Amerikaner suchten junge Leute, die allein deshalb keine gefährlichen Nazis sein konnten, weil sie jung waren“, sagt der 83-Jährige. „Alles konnte man damals ausprobieren.“ Und das erste, das er ausprobierte war ein Knopf, auf den er drückte – nicht ahnend, dass er gerade eine ganze Symphonie gelöscht hatte, dirigiert von Wilhelm Furtwängler.

Mit einem Knopfdruck Furtwängler gelöscht

„Viele junge Leute haben sich damals beim Radio ausprobiert, viele sind wieder gegangen“, erzählt Purucker. „Wir anderen aber bekamen im Laufe der Zeit das Gefühl, einen Beruf zu haben. Es war wie ein eigenes Leben, das wir innerhalb des Funkhauses führten.“ Da nicht genügend Studios vorhanden waren, musste auch nachts gearbeitet werden. „Manche haben auch auf der Couch im Büro übernachtet.“ Reporter war Purucker damals, Sprecher, Regisseur und Autor. Die Generationen-Saga über die Münchner Familie Grandauer, erst Hörspiel, dann TV-Serie, sollte schließlich sein größter Erfolg werden. Der Adolf-Grimme-Preis in Gold ist nur eine seiner vielen Auszeichnungen.

„Man spricht immer von der Macht des Wissens. Nie aber darüber, wie groß auch die Macht der Unwissenheit sein kann“, sagt Purucker. „Ich wusste, als ich anfing, so wenig von allem, dass ich tatsächlich glaubte, wirklich alles zu können. Hätte mich einer gefragt, ich hätte auch glatt die Regierung übernommen.“

Auch beim Fernsehen – seit 1954 sendete der BR auch Bilder – war Purucker ein Mann der ersten Stunde, inszenierte zum Beispiel mit Liesl Karlstadt „Der Sturm im Wasserglas“. Neben der „Löwengrube“ schrieb er auch viel fürs TV, darunter drei „Tatort“-Folgen für Gustl Bayrhammer und das Drehbuch zu dem Vilsmaier-Film „Und keiner weint mir nach“ nach dem Roman von Sigi Sommer. „Am Anfang war das Verhältnis zwischen Funk und Fernsehen aber gar nicht so gut“, sagt Purucker. „Die Hörfunkleute haben die Fernsehleute ein bisschen beneidet und sich nicht selten mit einer gewissen Arroganz zur Wehr gesetzt.“ Sibirien nannten sie die neuen Studios im fernen Freimann.

„Heute ist der Hörfunk ja leider oft eine Veranstaltung ohne Publikum, während das Fernsehen noch mit dem größten Schwachsinn einen enormen Zulauf hat“, bedauert Purucker. Er selbst hat vor sieben Jahren beim BR aufgehört, freut sich aber, wenn er noch ab und an einen Ausflug zum Hörfunk machen darf. Heute schreibt er Bücher, gerade sitzt er am dritten Teil seiner Grandauer-Romane. „Das Schreiben – ohne den Termindruck von Funk und Fernsehen – lässt sich heute mit dem Leben halt besser in Einklang bringen.“

Angelika Kahl

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