Wie Kinder spielen

Frankreichs junger Regie-Provokateur Francois Ozon über seinen Film „Ricky“ und seine Lust am Genre-Mix im Kino
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Rainer Werner Fassbinder ist ein großes Vorbild des Filmregisseurs Francois Ozon.
Concorde 2 Rainer Werner Fassbinder ist ein großes Vorbild des Filmregisseurs Francois Ozon.
Ein fliegendes Baby ist der Held dieses Films.
dpa 2 Ein fliegendes Baby ist der Held dieses Films.

Frankreichs junger Regie-Provokateur Francois Ozon über seinen Film „Ricky“ und seine Lust am Genre-Mix im Kino

Frankreichs unberechenbarster Regisseur, François Ozon, ist immer für eine Überraschung gut. Nach „Moth“ von Rose Tremain schießt er ein Feuerwerk an wundersamen Ideen ab und provoziert in „Ricky“ (ab Donnerstag im Kino) durch einen Genre-Mix aus Fantasy und Realismus.

AZ: Monsieur Ozon, Sie erzählen von einer sozial nicht gut gestellten Familie, deren Baby übernatürliche Kräfte entwickelt. Hat nicht jedes Kind besondere Fähigkeiten, in den Augen der Eltern?

Es geht nur vordergründig um ein außergewöhnliches Kind, eher um eine Familie und ihren schwierigen Weg zum gegenseitigen Verständnis. Eltern sehen ihr Kind immer mit den Augen der Liebe. Mir gefiel, dass diese Mutter ein Routine-Leben hat, das durch Ricky ungewöhnlich wird. Da sind unglaubliche Sprünge, plötzlich geht sie in die Bibliothek, interessiert sich für andere Themen, glaubt an sich, braucht ihren Freund nicht mehr. Sie wird innerlich reicher, und das bringt die Familie wieder zusammen. Das Anderssein als Impuls für Veränderung.

Sie schütteln sämtliche Genre-Vorstellungen durcheinander. Ist „Ricky“ ein Fantasy-Film, die Geschichte eines fliegenden Babys nur ein Traum?

Mein Genre ist der Ozon-Film. Aber ernsthaft, Genres interessieren mich nur, wenn sie sich mischen. „Ricky“ ist ein Mix aus Träumen und Realität, ein Film aus dem magischen Realismus, der in manchen Momenten abhebt. Die Entwicklung eines Films betrachte ich wie das unschuldige Spiel eines Kindes, das probiert auch einiges aus und verbrennt sich auch mal. Ich arbeite nach dem Lustprinzip. Diese Formula-Filme, wo es direkt von A nach B oder um Gut und Böse geht, öden doch nur an. Der Zuschauer will gefordert, vielleicht auch mal provoziert werden. Buñuel sagte mal, man muss die Wirklichkeit wie einen Traum inszenieren und die Träume wie Wirklichkeit. Vielleicht ist „Ricky“ ein „buñuelisierter“ Film.

Am Ende herrscht Harmonie, das ist ziemlich ungewöhnlich bei Ihnen.

Aber nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Da ist auch Melancholie zu spüren, die Familie kommt zwar wieder zusammen, aber ein Mitglied fehlt. Allerdings ist zu meiner gewalttätigen Familie in „Sitcom“ schon ein großer Unterschied. Familie kann ein Ort der Liebe und Geborgenheit sein, aber auch von Hass und Zerstörung. Wenn ich manchmal in den Zeitungen lese, was Eltern ihren Kindern antun, verliere ich den Glauben an die Menschheit. Irgendwas ist kaputt gegangen in unserer Gesellschaft. Wir müssen die Ursachen finden.

Ist Ihr Film auch so etwas wie ein Blick auf eine neue Art von Eltern?

Das Elternbild ändert sich relativ schnell. „Ricky“ zeigt nicht nur die starke Mutter-Kind-Bindung, sondern auch die des Vaters. Heute steigen die Väter zeitweise aus ihrem Beruf aus, um sich dem Kind zu widmen. Das wird sich auf ihr Verhalten auswirken. Und manche Frau fürchtet, dass der Mann ihr einen angestammten Platz streitig macht. Gerade, wenn sie ihren Lebenssinn als Mutter sieht.

Stimmt es, dass Sie am Set ein kleiner Machiavelli sind?

Wer sagt denn so was! Alle Regisseure sind Manipulateure, Filmemachen ist ein Match, man amüsiert sich, streitet sich und hält dann doch wie Pech und Schwefel zusammen. Manchmal verlange ich viel, weil ich nicht genau weiß, was ich will, die Schauspieler lieben das Experimentieren. Aber ich bin kein Machiavelli in dem Sinn, dass ich andere leiden lasse.

Sie drehen einen Film nach dem anderen, macht Sie das nicht mal müde oder gar zu routiniert?

Bei Dreharbeiten blühe ich auf, es gibt nichts Schöneres, als Filme zu realisieren. Im Team lebe ich Gefühle und Begegnungen stärker aus. Die Arbeit darf man nicht verbiestert sehen, sondern mit Leichtigkeit und Freude. Ich muss ja nicht jeden Tag in die Fabrik gehen.

Margret Köhler

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