Wenn Mutter und Tochter das Leben genießen
Ein Roman, der nichts weniger ist, als eine Abrechnung mit der Mutter: Sophie Dahl verarbeitet im Roman „Die Spiele der Erwachsenen“ ihre Familiengeschichte.
Wenige Frauen können von sich behaupten, so viele Auffahrunfälle verursacht zu haben wie Sophie Dahl. Vor acht Jahren posierte die Enkelin von Roald Dahl für eine Parfumwerbung – sie hatte rote Locken und eine Haut wie Porzellan. Außerdem trug sie nur Schuhe. In Großbritannien wurde das Plakat auf öffentlichen Plätzen verboten. Hierzulande wurde es großflächig plakatiert. Männer freuten sich über den Anblick; Frauen über das Wissen, dass Dahl Konfektionsgröße 40 trug.
Mittlerweile ist das Model dreißig und ins Familienunternehmen eingestiegen: Nicht nur Großvater Roald, auch Mutter Tessa Dahl waren als Schriftsteller erfolgreich. Da passt es, dass der zweite Roman der Britin, „Die Spiele der Erwachsenen“, eine Familiengeschichte ist. Er handelt vom Erwachsenwerden der zu Beginn dreizehnjährigen Kitty, die mit Mutter und Großeltern in der Provinz lebt. Weil ihrer jungen, hippen und wunderschönen Mutter Marina das zu langweilig ist, ziehen die beiden mitsamt der zwei kleinen Geschwister um – und das mehr als einmal.
Kitty kommt ins Internat, nach New York, in einen Ashram, schließlich zurück in die Heimat. Für die ständigen Umsiedelungen sind vor allem die Launen ihrer Mutter verantwortlich, die ihre Depressionen phasenweise schlecht im Griff hat. Kitty übernimmt früh Verantwortung für sie, aber es hat auch Vorteile, dass ihre Mutter anders ist als alle anderen: Mit nur sechzehn Jahren Altersunterschied schimpfen die beiden wie Freundinnen über Männer und genießen zusammen das Leben.
Federleicht und märchenhaft beschreibt Sophie Dahl diese Seite der schwierigen Familienkonstellation. Es liegt nahe, nach Gemeinsamkeiten zu Dahls Teenager-Zeit zu fahnden. Denn auch Tessa Dahl war eine junge Mutter, manisch-depressiv und notorisch umzugsfreudig. In Interviews bekennt sich die Autorin offen dazu, ihre eigene Familiengeschichte in diesem Roman verarbeitet zu haben.
Wie auch im Buch erlebte die junge Sophie das aber nicht als Belastung: Der Roman ist nichts weniger als eine Abrechnung mit der Mutter. Er will niemandem etwas vorwerfen, zumal die Kinder die mütterlichen Exzesse unbeschadet überstehen.
Stattdessen feiert die Autorin die enge familiäre Bindung, die alle Hippietouren und Drogenabstürze überdauert. Der schwarze Humor ihres Großvaters Roald taucht im Buch nicht auf, die feine Neigung zum Subversiven dagegen durchaus – nicht zuletzt dieser Aspekt macht „Die Spiele der Erwachsenen“ zu einem zutiefst britischen Roman. Von Sophie Dahl stammt der Satz, Bücher, die sie mehrmals lese, strahlten Behaglichkeit aus und bedeuteten ihr genauso viel wie ein echtes Zuhause. Ein Buch, das man gerne mehrmals liest: Das ist ihr gelungen.
Julia Bähr
Sophie Dahl: „Die Spiele der Erwachsenen“ (Bloomsbury Berlin, 320 Seiten, 19.90 Euro)
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