Wenn Kreative statt Wein nur Kaffee trinken

Musikalisch achtbar:Rameaus komische Barockoper „Platée“ im Theater Augsburg
von  Abendzeitung

Musikalisch achtbar:Rameaus komische Barockoper „Platée“ im Theater Augsburg

Es hätte schön werden können. Viele Theaterleute sind überzeugt, nur Spezialensembles kämen mit französischer Musik des 18. Jahrhunderts zurecht. Das Philharmonische Orchester Augsburg unter Friedemann Seitzer widerlegte sie in der Ouvertüre mit dem typischen, von Oboen aufgehellten Streicherklang, Lockerheit und deutlich formulierten Melodien.

Mit ihren kurzen Arien, vielen Tänzen, Chören und ihrer bunten Vielfalt könnten Rameaus Opern kurzweiliger als jeder Händel-Liebeskummer sein. Platées Geschichte hat Witz: Um die Gerüchte über Weibergeschichten ein für allemal aus dem Olymp zu schaffen, macht Jupiter der hässlichen Nymphe Platée den Hof und düpiert den Zorn seiner Göttergattin Juno.

Die Idee des Theaters auf dem Theater ging verloren

Das klingt wie Offenbach. Leider verführte es den Regisseur und Ausstatter Peer Boysen zu bonbonbuntem Operettenplunder, der die Überdrehtheit des Werks auf dekoratives Stadttheater herunterstimmte. Bei Rameau lässt sich der in einem Weinberg besoffen dösende Thespis die Geschichte einfallen. Zu Augsburg weilt eine Theatertruppe im Griechenlandurlaub. Kaffee dient dem Team um einen lederbejackten Dramaturgen bei der Abfassung als Stärkungsmittel. Kein Wunder, dass da bacchantische Räusche der Fantasie ausblieben und die Idee des Theaters auf dem Theater irgendwann verloren ging.

In französischen Barockopern droht das Interesse des Zuschauers an den Figuren zu erkalten, weil viel zeremoniöses Ballett überwuchert. Wer „Platée“ inszeniert, sollte da eine Lösung parat haben. Boysen legte die Beine auf den Regietisch und ließ den Choreografen Philipp Egli machen. Dem fiel Nettes zwischen Breakdance und ironisierter Neoklassik ein. Es hatte nur nichts mit der Geschichte dieser Nymphe zu tun.

Bei der von einem Tenor zu singenden Platée droht Tuntiges. Boysen verkniff es sich, verwandelte die Figur dafür aber in ein hässliches, geschlechtsloses Nichts aus der Figur. Frederick Akselberg konnte den komischen, bisweilen anrührenden Triebnotstand nur musikalisch darstellen. Beim finalen Wutausbruch schien er am Ende seiner Kräfte. Statt zornesrot in den Sumpf zu springen, starb Platée einen von der Regie nicht vorbereiteten Herztod.

Glatzköpfige Reifrockmenschen mit Halskorsetts gehören auf die schwarze Liste der Barockopernregie. Wenn Rameau in der Arie des Narren die italienische Oper parodiert, wären sie tragbar. Sophia Brommer ließ die Koloraturen mächtig kichern, trat aber weißgefleckt mit einer Gipsfrisur und Gipsharfe auf, wo sich zerzaustes Seria-Gehabe angeboten hätte. Es war nicht die einzige verpasste Chance dieses Französisch mit Übertiteln gesungenen Abends.

Robert Braunmüller

Wieder am 22., 24., 4., 3., 6., 14. und 22. 5. Tel. 0821/324 49 00

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