Wenn die Migräne giftgrün schmerzt
Christian Thielemann und die Münchner Philharmoniker mit Schönberg, Mozart und Schreker im Gasteig
Erstaunlich, wie gegensätlich zwei Komponisten das gleiche Drama vertonen können. Debussy verwandelte Maeterlincks „Pelleas et Melisande" vor 100 Jahren in eine symbolistische Oper des Verstummens. Der junge Arnold Schönberg machte zur gleichen Zeit daraus eine Breitwandtondichtung. Sie klingt, als sei Richard Strauss bei Föhn nach einer Überdosis „Tristan“ von Migränekopfweh geplagt worden.
Christian Thielemann, zu Unrecht im Verdacht, immer nur Brahms, Beethoven und Bruckner zu dirigieren, vereinte Schönbergs in giftigen Farben leuchtendes Kolossalgemälde mit dem noch üppigeren „Vorspiel zu einem Drama“ von Franz Schreker. In beiden Werken betonte Thielemann durch einen eher runden Klang und leicht abgeschliffene Extreme die romantische Kontinuität mehr als die wetterleuchtende Avantgarde. Wie fast immer fehlten zur absoluten Extraklasse die allerletzten fünf Prozent: Leise Einsätze des vollen Orchesters oder einzelner Gruppen kamen am Freitag nicht restlos sauber und homogen. Aufgewogen wird dies jedoch durch den einzigartig warmen und individuellen Klang der Münchner Philharmoniker.
Zwischen der Spätromantik stand der Einzige, den solche Kolosse nicht erschlagen: Anja Harteros sang zwei Konzertarien von Mozart. In der Kunst, die elegischen Damen der Opera seria zum Leben zu erwecken, ist diese Sängerin absolut konkurrenzlos. Den Riesenraum füllte sie mühelos. Wie stets, wenn Orchesterlieder unter Thielemann auf dem Programm stehen, gab es auch eine freundliche Zugabe: Die umjubelte Sopranistin verabschiedete sich mit „Porgi amor“ aus „Le nozze di Figaro“.
Robert Braunmüller