Wayne Shorter in der Philharmonie
Jazz-Saxofonist Wayne Shorter stellt in der Philharmonie Regeln auf den Kopf und überrascht mit Unerwartbarem.
Wayne´s World: wer die Welt des Jazz-Saxofonisten Wayne Shorter betritt, muss ein paar Grundvoraussetzungen mitbringen, muss offen sein, vorbereitet auf das Unerwartbare, gefasst auf das nie Gehörte. Denn im Kosmos des 76jährigen werden Regeln auf den Kopf gestellt, verschwimmen Grenzen, wird Konkretes schnell zur flüchtigen, fernen Erinnerung.
In der erschreckend schlecht besuchten Philharmonie war es zunächst wie zuletzt immer bei Wayne Shorter: erste Klänge seiner drei Mitstreiter laufen zusammen, diesmal in einem Umfeld, das stark nach in Richtung Neue Musik tendierte.
Der Mann am Tenor dreht am Kopfteil seines Instruments herum, haucht ein paar verlorene Töne in das Weit des Saals, justiert neu. Er greift dann zum Sopran, spielt ein paar schüchterne Kiekser. Erst langsam ordnet er sich und das Geschehen auf der Bühne; was heißt schon ordnen: die Laufrichtung, die Fließgeschwindigkeit der Musik – nie vorher auszumachen. Man wundert sich nur, wie der Pianist Danilo Perez, der Bassist John Patitucci und der Schlagzeuger Brian Blade mit ihrem Chef, der jetzt mit seinem Spiel durch Mark und Bein dringt, kommunizieren, wie sie diese frappierenden Übergänge hinbekommen.
Das klassische Solo scheint in diesem Quartett, das nie proben soll, fast verpönt – hier geht es um gemeinsames Gestalten: Verschattetes trifft auf fast impressionistische Aufhellungen, Ätherisches mündet in sich heftig entladender Urgewalt. Ein Wunder, welche Begeisterung die komplizierte, verrückte, jenseitige Musik des nur 75minütigen Konzerts auslöste. Das Publikum fühlte sich wohl in Wayne´s World.
Ssirus W. Pakzad
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