Was vom Regisseur übrig blieb

Regisseur Kim Ki-Duk stellt am Samstag seine Selbstdemontage „Arirang” vor
von  Florian Koch

Schlimmes hat dieser amerikanische Soldat im Koreakrieg erlebt. Jetzt, 30 Jahre später, macht er sich auf die Suche nach der Leiche seines liebsten Feindes. In einem koreanischen Dorf soll man sie vergraben haben. Doch die Totenreise entwickelt sich für ihn, den Traumatisierten, bald zu einer spirituellen Reise - mit ungewissem Ausgang.

Wer könnte diese Figur besser verkörpern als Willem Dafoe, der bereits in „Platoon” als sensibler Soldat vor der Kamera stand. Regie und Drehbuch stammt von Kim Ki-Duk. Das enthüllt der „Cineast der wilden Schönheit” höchstpersönlich in der Doku „Arirang”, während er vor der Kamera noch am Drehbuch feilt.

Stirnrunzeln in Cannes

Nur: Diesen Film wird es vorerst nicht geben, wenn nicht ein Wunder passiert. Die Frage nach dem Warum beantwortet auf schmerzliche Weise auch das Filmfragment, mit dem Kim Ki-Duk auf dem Festival in Cannes für fast soviel Stirnrunzeln wie Lars von Triers Eskapaden sorgte.

Warum es „Arirang”, diese brutale Selbstdemontage, überhaupt gibt, lässt sich in einem Satz von Kim Ki-Duk zusammenfassen: „Ich kann keine Filme mehr drehen. Deshalb filme ich mich selbst.”

Wer das Oeuvre des südkoreanischen Ausnahmeregisseurs kennt, wird geahnt haben, dass mit ihm zuletzt irgendetwas nicht gestimmt hat. Denn Kim Ki-Duk, dieser Filmfestival-Liebling und Außenseiter in seiner koreanischen Heimat, gilt seit seinem „Crocodile”-Debüt als einer der produktivsten Autorenfilmer Asiens - und hat seit drei Jahren nichts mehr gedreht. Dabei beglückte und verstörte er zuvor mit seinen kompromisslos-poetischen Werken Cineasten auf der ganzen Welt. Unvergessen, die provozierende Selbstverständlichkeit mit der sich ein Mädchen in „Samaria” prostituieren ließ und die bildgewaltige Reflexion über den Kreislauf des Lebens in „Frühling, Sommer, Herbst, Winter....und Frühling”.

Am Ende baut sich Ki-Duk eine Pistole

15 Filme später ist der Schmerzensmann mit „Arirang” an einem künstlerischen Endpunkt angelangt. Ausschlaggebend waren Kim Ki-Duks traumatische Erfahrungen am Set von „Dream”, als die Hauptdarstellerin bei einer Strangulierung fast erstickt wäre. Ki-Duk, der seine Filmfiguren die schlimmsten Qualen erleiden ließ, hat sich von diesem Einbruch der Realität in seine Filmfiktion nie erholt. Die psychischen Folgeschäden zeigt „Arirang”: Hier haust er verwahrlost in einem Zelt in einer abgelegenen Berghütte, beklagt seine gescheiterten Projekte, beschimpft sich, weint, bechert, singt immer wieder das traurige Volkslied „Arirang” und baut am Ende sogar eine Pistole. Zum letzten Schuss kommt es glücklicherweise nicht.

In Cannes posierte Kim Ki-Duk zuletzt lächelnd für die Fotografen. Das lässt die Frage aufkommen, ob alles nur ein großer Bluff war. Einen Preis - den Certain Regard - hat er für „Arirang” wieder mit nach Hause nehmen können. Ein Schelm, der Berechnung dabei denkt.

Sa, 20 Uhr, Cinemaxx 2, in Anwesenheit von Kim Ki-Duk

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.