Vorgefundenes Material

„Schön war’s“: Die Galerie Andreas Binder zeigt Fotoarbeiten von Stefan Hunstein
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„Schön war’s“: Die Galerie Andreas Binder zeigt Fotoarbeiten von Stefan Hunstein

Bekannt ist er als vielseitiger Schauspieler und Ensemble-Mitglied des Residenz Theaters. Aber seine Arbeit als Bildender Künstler ist für Stefan Hunstein (51) mindestens gleichbedeutend. Und anders als viele, auch Kunst-Kollegen, ist er kein Selbstdarsteller, sondern tritt unprätentiös hinter seinem Werk zurück. Oder der Schein trügt – und er wäre ein so besessener Künstler-Mime, dass er in der Rolle seines Lebens aufginge.

Jetzt zeigt Hunstein in der Galerie Andreas Binder unter dem Titel „Schön war’s“ jüngste Foto-Arbeiten. Hatte er sich zuletzt mit den 30er und 40er Jahren der deutschen Geschichte auseinandergesetzt, so nimmt er jetzt die Wirtschaftswunder-Zeit der 50er in den Fokus. Wieder verwendete er historische Postkarten als Ausgangsmaterial. Die Arbeit mit Theatertexten und Fotografien ist für ihn vergleichbar: „In beiden Fällen interpretiere ich vorgefundenes Material“, erklärt Hunstein.

Nachkolorierte Idyllen

Seine Bilder zeigen Ansichten einer jungen, idealistischen Bundesrepublik – kaum mehr als zehn Jahre nach Kriegsende. Für Hunstein waren das Deutschlands prägende Jahre. „Schön war’s“ bezieht sich auf den häufigsten Postkarten-Reisegruß, aber auch auf die zwanghaft optimistischen Fotos der Fünfziger Jahre – in deren geschönter Darstellung eine leise Bedrohung spürbar bleibt. Die Ansichten beschwören eine heile, bunt nachkolorierte Welt wie die Kulisse einer Spielzeugeisenbahn: Verhalten modernistische Neubauten und pittoreske Altstadt-Idyllen, Eigenheim-Träume und Ruhestands-Oasen. An Ruinen und kaputten Straßen wird vorbeigeknipst, die noch vorhandenen Spuren des Krieges ausgeblendet. Stattdessen wird – fast immer ist ein Auto groß im Bild – die neue Mobilität gefeiert oder bescheidene neue Konsumfreude gezeigt.

Hunstein bearbeitete die Karten am Computer, vergrößerte Ausschnitte, verstärkte die Kolorierung. In der Zusammenschau von 40 Motiven (Vierer-Auflage, je 450 Euro) wirkt dieses BRD-Panorama (mit ein paar DDR-Sprengseln) eindrucksvoll, in der Vergrößerung (850 Euro) liegt ein Effekt wie Geschmacksverstärker. Einzeln können diese Bilder allerdings nur schwer bestehen. In der Gesamtheit aber kann der Betrachter Hunsteins nachdenklichem Blick zurück, seiner Methode des Schauens und Begreifens, bestens folgen.

Roberta De Righi

Bis 23. Mai, Galerie Andreas Binder (Knöbelstraße 27), Di – Fr 12 bis 18.30, Sa 11 bis 15 Uhr

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