Von Warhol bis zum Paten

Seit 1995 hat München ein eigenes internationales Theaterfestival: Heuer findet SpielArt zum achten Mal statt. Das zeitgenössische Avantgarde-Theater beschäftigt sich im Moment viel mit dem Kino
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Seit 1995 hat München ein eigenes internationales Theaterfestival: Heuer findet SpielArt zum achten Mal statt. Das zeitgenössische Avantgarde-Theater beschäftigt sich im Moment viel mit dem Kino

Als der Verein Spielmotor 1979 gegründet wurde, war das bundesweit ein Novum: eine Public-Private-Partnership zwischen BMW und der Stadt München zur Förderung zeitgenössischer Kultur. Spielmotor veranstaltete die Münchner Theaterfestivals der 80er Jahre, ist maßgeblich beteiligt an der Musik-Biennale und dem Dance-Festival und veranstaltet seit 1995 alle zwei Jahre das Theaterfestival SpielArt, das heuer vom 19. November bis 5. Dezember zum achten Mal stattfindet. Zu seinem 30. Geburtstag stockte Spielmotor den Etat um 100000 Euro auf. Mit einer neuen Grundförderung von der EU verfügt SpielArt jetzt über ein Budget von insgesamt 1,4 Millionen Euro.

2009 ist ein Gedenkjahr: 60 Jahre Grundgesetz, 40 Jahre Mondlandung und Woodstock, 20 Jahre Mauerfall. Grund genug für die SpielArtMacher Tilmann Broszat und Gottfried Hattinger, die das Festival seit der Gründung leiten (und auch für 2011 schon den Auftrag haben), mit ihrer Auswahl den Blick in die Vergangenheit und die Zukunft zu richten. Eröffnet wird mit „La mélancolie des dragons“ von Philippe Quesne, der gerade in Frankreich Furore macht: Als subversive Antwort auf die allgegenwärtige Krise entwirft eine Gruppe alter Rocker einen skurrilen Vergnügungspark.

Drei Teile des Paten

„Auffällig viele Theater beschäftigen sich zur Zeit mit Kino“, stellt Gottfried Hattinger fest – Foto und Film erobern die Bühne zurück. Die Schweizer Gruppe Far A Day Cage spielt die Mafia-Story „Pate I – III“. Das dänische Hotel Pro Forma zeigt in „Relief – a motion-picture performance“ Vladimir Nabokovs Jugend in der Ukraine als mehrdimensionale Sound-Bild-Landschaft. Colin Gee aus den USA, der lange Clown beim Cirque du Soleil war, erzählt im Roadmovie „Dakota“ vom Verlust der Persönlichkeit. Die deutsch-englische Truppe Gob Squad rekonstruiert in „Gob Squad’s Kitchen“ frühe Andy-Warhol-Filme aus dem New Yorker Underground der 60er Jahre. Mit ihrer Camera-Obscura-Kunst war die italienische Gruppe Orthographe die Entdeckung des letzten SpielArt-Festivals. Nun führt sie mit „Controllo remoto“ (Fernbedienung) den Mechanismus einer Kriegsmaschinerie vor.

Forced Entertainment aus England sind gute alte Festival-Bekannte und zu ihrem 25. Geburtstag mit zwei Stücken vertreten: „Void Story“ ist eine Achterbahnfahrt durch eine apokalyptische Stadtlandschaft und die Überreste der Gegenwartskultur, „Spectacular“ thematisiert die Beziehung zwischen Performance und Publikum. Auch schon SpielArt-erpobt ist der Lette Alvis Hermanis. Er inszenierte „Späte Nachbarn“, zwei Séancen nach Stories von Isaac B. Singer. Stolz ist Tilmann Broszat, dass erstmals der Weltstar Jan Fabre zu SpielArt kommt: Mit seiner „Orgy of Tolerance“ geißelt der belgische Theatermacher, Choreograf, Autor und Performance-Künstler die Konsum-Ekstasen des Spätkapitalismus.

Beschimpfung im öffentlichen Raum

Länderschwerpunkt des Festivals ist Argentinien. Drei junge Regisseure – Lola Arias, Beatriz Catani und Federico León –, erforschen in eigenen Stücken die argentinische Geschichte und die dunkle Zeit der Militärdiktatur. Ein Festival im Festival ist das Mentorenprogramm „Connections“: Sechs renommierte Theatermacher schlagen junge Kollegen vor, die für SpielArt Uraufführungen inszenieren.

Für Irritation im öffentlichen Raum sorgt God’s Entertainment aus Österreich mit einer „Passantenbeschimpfung“, und die Stadtguerilla der Urbanauten entfesselt den „Flash Mob“. Damit das Denken nicht zu kurz kommt, präsentieren beim dreitägigen Diskurs-Happening „Woodstock of political thinking“ täglich zehn Wissenschaftler und Künstler im Stundentakt ihre Beiträge im Haus der Kunst .

Noch zwei Münchner Projekte gibt es: Die Ausstellung „Neonschatten“ über die 80er Jahre in München und eine „Spielplatz“-Aktion von fünf Performancegruppen. Wer ob solcher Programmfülle ratlos ist, dem bieten Kathrin Röggla und Leopold von Verschuer während des ganzen Festivals eine „Publikumsberatung“ an.

Gabriella Lorenz

Programm ab 20.September online unter www.spielart.org, Vorverkauf ab 5. Oktober

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.