Vivaldi in der Theaterakademie

Maximalinvasive Aufführung: "Juditha triumphans" als Antikriegsstück im Prinzregententheater
Adrian Prechtel |
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Wie in einem Bluttempel: Alle Sängerinnen und der Sänger (Haozhou Hu, zweiter von rechts) der Aufführung im Akademietheater. Vorne in der Mitte Laura Mayer als Holofernes.
Cordula Treml Wie in einem Bluttempel: Alle Sängerinnen und der Sänger (Haozhou Hu, zweiter von rechts) der Aufführung im Akademietheater. Vorne in der Mitte Laura Mayer als Holofernes.

Vor einem Jahr starb der österreichische Ritualkünstler Herrmann Nitsch, von dem man noch blutrote Sakral-Origien im Kopf hat. Und in genau so einem Schlacht- und Opfer-Raum hat Regisseur Alexander Nerlich Vivaldis "religiöses Militär-Oratorium: Juditha triumphans" gestellt und es einer maximal-invasiven Operation unterzogen.

Die Heldinnengeschichte, in der eine junge Kriegswitwe erst zwischen die Fronten geht, dann das Begehren des feindlichen und übermächtigen babylonischen Feldherren Holofernes weckt und ihm nächtens den Kopf abschlägt, wird im Akademietheater nicht ungebrochen erzählt. Vivaldis patriotisches Propagandastück hingegen sollte die Venezianer in ihrem Krieg gegen die angeblich so "barbarischen" Türken moralisch stärken.

Holofernes wird durch Laura Mayer hier auch packend als todessüchtiger, wahnsinniger Warlord dargestellt mit seinem servilen Handlanger (wunderbar expressiv: Harpa Ósk Björnsdóttir). Im Rückgebäude des Prinzregententheaters ist alles auf nur 70 Minuten halbiert, wobei sogar noch Versatzstücke anderer Vivaldiwerken injiziert wurden, so dass vom ursprünglichen Oratorium eine extreme Verdichtung zu sehen ist. Das schadet nicht, da die Grundgeschichte klar und einfach ist.

So ist eine der auffälligsten Erweiterungen in der Inszenierung mit Studierenden der Theaterakademie, dass Judith dreifach besetzt und immer dreifach auf der Bühne anwesend ist und dabei auch die Stimmlage von Sopran über Mezzo bis zur Männerlage wechselt, weil eine der Besetzungen der Tenor Haozhou Hu ist. Dadurch kann eine innere Zerrissenheit der Hauptfigur ausgespielt werden, indem zum Beispiel bei der Verführung oder Überwältigung des Holofernes Wut, Ekel und Scham gleichzeitig gezeigt werden können (Choreographie: Jasmin Wretemark-Hauck). Vielleicht liegt die Nervosität der auch noch streng religiösen Judith auch an ihrer - hier offen ausgespielten - Homosexualität in der Verbindung mit ihrer Dienerin Abra (Katya Semenisty), was in der patriarchalischen, antik-jüdischen Gesellschaft problematisch war.

So ist diese "Juditha" hier sehr aufgefächert, was aber durch die strenge, farblich nur schwarz-weiß-rote Inszenierung und das klare Bühnenbild mit einem zentralen rotierenden Altar-Tisch-Bett-Block (Thea Hoffmann-Axthelm) zusammengehalten wird.

Etwas überraschend ist bei einer Theaterakademie-Produktion, dass man nur Gesang, Maske und Dramaturgie aus Studierenden rekrutiert hat, wo es doch auch einen Regie- und Bühnenbild-Studiengang gibt. So ist diese interessante "Juditha" keine wirkliche Leistungsschau der Theaterakademie. Und musikalisch musste die überwiegend studentische Accademia di Monaco gegen die trockene Raumakustik anspielen und war zu seitlich platziert.

weitere Aufführungen, morgen, Di, 18. Juli sowie 20. und 22. Juli, jeweils 19.30 Uhr, 17 Euro, www.theaterakademie.de

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