Viele Wendungen: Der „Tatort: Letzte Ernte“ in der Kritik
Norddeutscher wird es diese Woche nicht mehr. Der Dorfpolizist sagt "Schiete", wenn er vergessen hat, die Stadtpolizistin an der Bushaltestelle im grünen Nirgendwo abzuholen. Und alles Runde hier ist entweder ein Kopf, aus dem es sehr norddeutsch klingt. Oder ein Apfel.
Überhaupt (1): Äpfel. Der "Tatort: Letzte Ernte" spielt im Alten Land bei Hamburg, der Apfel-Hochburg im Norden. Das Kernobst ist hier wirklich überall – gespritzt und ungespritzt an den Bäumen, klar, klein auf Kaffeetassen, riesig an touristenträchtigen Orten wie Bushaltestellen. Nur getrunken wird nicht Apfelkorn, sondern irgendwas anderes.
Überhaupt (2): Dorfpolizist. Er baut gerade, da wird der Polizeiwagen schon mal bis oben hin mit Zementsäcken (oder was auch immer das ist) vollgeladen. Das Private, so lernen wir (und wissen es doch ohnehin schon längst) ragt auf dem Land immer sehr ins Berufliche. "Sie fahren bald zurück nach Göttingen", sagt sinngemäß der Polizist ganz richtig, "aber ich muss weiter hier mit denen leben."

Der Fall: Ein rumänischer Erntehelfer und Herzensbrecher wird von einer Heuballenschneidemaschine enthauptet. Als die Leiche gefunden wird, fehlt der Kopf. Mysterymäßig schaukeln die Scheunenlampen im heulenden Wind, grell dringt das Licht durch den Türspalt. Könnte Stephen King sein, ist aber nur ein "Tatort" (Buch: Benedikt Röskau, Stefan Dähnert, Johannes Naber, Regie: Johannes Naber) mit Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler).

Das Personal: Nach kurzer Zeit sind alle Menschen auf dem maroden Hof irgendwelcher Taten verdächtig: Der Polizist (Ole Fischer), der heimlich telefoniert. Der kranke Landwirt (Henning Flüsloh), dessen Frau (Ronja Herberich) über den nun toten Erntehelfer sagt: Er hat alles gemacht, was sonst ihr Mann gemacht habe. Des Bauern Mutter (Lina Wendel), die militant gegen die "Glyphosat-Mafia" wettert. Selbst die Äpfel sind wegen ihres Gespritztseins nicht ganz unschuldig.

Worum geht es? Es geht um Liebe und Lebensträume, um Apfelreichtum und Armut in diesem nicht aufwühlenden, aber doch sehenswerten Krimi. Langweilig ist er nie.
Der Clou: Das letzte Drittel ist der Aufklärung gewidmet. Lindholm inszeniert die Beweisführung in der Scheune wie eine Fernseh-Show. Warnhinweis: Es gibt sehr viele Wendungen. Schnallen Sie sich bitte an und halten Sie ihre Äpfel fest.
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