Viel Kunst und wenig Kitsch
Nicole Cabell gastierte mit Arien von Mozart und Massenet im Herkulessaal
Nach ihrem ziemlich affektierten Gasteig-Gastspiel vor zwei Jahren als Musetta in Puccinis „La Bohème“ waren Zweifel angesagt, ob die Sopranistin Nicole Cabell in einem Arienabend bestehen würde, der nicht nur Trapezakte von Rossini und Delibes enthielt, sondern auch Ernsthaftes von Mozart und Massenet. Am Ende, nach Gershwins „Summertime“, waren alle Bedenken verflogen. Nicole Cabell zeigte sich im Herkulessaal hochkonzentriert und demonstrierte mit Nachdruck, dass Ausdruck kein Buch mit sieben Siegeln sein muss, wenn man die musikalischen Strukturen kennt.
Für die „Don Giovanni“-Elvira genügte wohldosierte Dramatik. Die verzwickten Intervallsprünge des „Mi tradi“ wurden souverän bewältigt. Die „Figaro“-Gräfin („Dove sono“) ist bei Nicole Cabell keine weinerliche Primadonna, sondern eine starke Frau, die sich gegen die Kränkungen durch ihren ungetreuen Ehemann durchaus zu wehren weiß.
Vor allem die Natürlichkeit, mit der die Sängerin Mozart begegnete, verblüffte und überzeugte. Für Susanna („Figaro“) und Zerlina („Don Giovanni“) scheint die Stimme zwar schon ein wenig schwer, dafür wurde Jules Massenets „Manon“ rigoros von jeglicher sentimentaler Theatralik befreit – auch dies ein Beweis, dass Nicole Cabell entschlossen war, ihren Münchner Auftritt künstlerisch zu nutzen und nicht als Marketing-Veranstaltung für die nächste CD.
Begleitet wurde sie vom Münchner Rundfunkorchester unter Laurent Campellone. Der junge französische Dirigent schaffte, was auch weitaus berühmteren Kollegen nur selten gelingt, nämlich mit ein paar Takten von Mozarts „Don Giovanni“-Ouvertüre ein Höchstmaß an Atmosphäre herzustellen.
Volker Boser
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