Unter schottischem Boden
Val McDermid würzt die britische Arbeitergeschichte mit einem Kriminalfall
Salman Rushdie sagte in einem Interview, dass es nur zwei interessante Arten des Schreibens gäbe: „Entweder man schreibt über fast nichts oder über alles.“ Bei der schottischen Krimi-Autorin Val McDermid muss man nicht lange überlegen, zu welcher Gruppe sie gehört. 500 bis 600 Seiten umfassen ihre Romane – so auch ihr neues Werk „Nacht unter Tag“.
Darin gelingt es McDermid, mit großer Genauigkeit und Detailverliebtheit scheinbar unspektakuläre Szenen über mehrere Seiten hinweg auszubreiten und den Leser dennoch zu fesseln. Denn die von ihr geschilderte Welt und ihre Protagonisten erscheinen absolut plastisch und real.
Außerdem sind diese Szenen gespickt mit kleinen Lebensweisheiten und liebenswerten Milieustudien: Als Detective Inspector Karen Pirie eingeführt wird, findet sie der Leser in einer Diskussion mit ihrem Kollegen vor. Darin geht es über mehrere Seiten hinweg erst einmal um Gordon Brown und den Terrorismus, um Gott und die Welt – ehe die Polizistin ein Anruf ereilt und die Ermittlerin endlich mit dem Fall konfrontiert wird, den es zu lösen gilt.
Epische Breite
Bloß nicht zu schnell oder zu hastig erzählen – nach der Devise ist die gesamte Dramaturgie des Buches aufgebaut. Diese epische Breite bereitet großes Vergnügen, nicht zuletzt deswegen, weil die Autorin den Roman im Milieu der schottischen Bergarbeiter ansiedelt und den Leser somit in eine Welt führt, die außerhalb Großbritanniens eher weniger bekannt ist.
Realer Kern der Geschichte ist der große Bergarbeiterstreik anno 1984 in Schottland, aus dem heraus sich der fiktionale Kriminalfall entwickelt. Auf mysteriöse Weise verschwindet in dieser Zeit ein Bergarbeiter, und erst zwanzig Jahre später fühlt sich die Tochter veranlasst, ihn bei der Polizei als vermisst zu melden.
„Nacht unter Tag“ sei ihr persönlichstes Buch geworden, sagt McDermid, die selbst aus einer schottischen Bergarbeiterfamilie stammt. Vielleicht ist das der Grund, warum man als Leser ständig glaubt, in einigen Figuren die sympathische Autorin wieder zu erkennen.
Maximilian Theiss
Val McDermid: „Nacht unter Tag“ (Droemer/Knaur, 544 Seiten, 19.95 Euro)
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