Unter der Schleifmaschine

Ein Palästinenser aus Israel beim Münchener Kammerorchester. Samir Odeh-Tamimi, der Komponist mit israelischem Pass, versucht durch seine Musik, heimatliche Traditionen in den Westen zu bringen. Kennzeichnend ist die kraftvolle, körperliche Art seiner Musik. Beim komponieren kommt er sich daher vor, wie unter einer Schleifmaschine.
von  Abendzeitung

Ein Palästinenser aus Israel beim Münchener Kammerorchester. Samir Odeh-Tamimi, der Komponist mit israelischem Pass, versucht durch seine Musik, heimatliche Traditionen in den Westen zu bringen. Kennzeichnend ist die kraftvolle, körperliche Art seiner Musik. Beim komponieren kommt er sich daher vor, wie unter einer Schleifmaschine.

Wenn die Band bei einer palästinensischen Hochzeit ein bekanntes Lied anstimmt, springen tausend Menschen mit einem Schrei auf", erzählt Samir Odeh-Tamimi. "Ein Fremder fürchtet bei solchen Ausbrüchen archaischer Kraft, der Krieg bricht aus. Dann tanzen die Leute mit einer Intensität, dass sie sich zwei Tage davon erholen müssen."

Der 1970 in einem Dorf bei Tel Aviv geborene Komponist ist einer von 1,5 Millionen Palästinsern mit israelischem Pass. "Als ich zehn war, gingen wir ins Schwimmbad der nahen jüdischen Siedlung und hatten dort unsere ersten Freundinnen. Heute begegnet man sich viel vorsichtiger."

Schuld an der Entfremdung sind für den Komponisten die Politiker auf beiden Seiten: "Es fehlt nicht am wechselseitigen Respekt. Aber für den Frieden müssten beide Seiten Kompromisse machen."

Odeh-Tamimis Musik versucht, heimatliche Traditionen in die westliche Avantgarde hinüberzuretten: "Mikrotonale Reibungen, die für europäische Ohren fremd klingen, findet ein Palästinenser ganz selbstverständlich."

Das Münchner Kammerorchester spielt heute in seiner Politik-Reihe Odeh-Tamimis "Bukka", das der Komponist 2002 als Reaktion auf den ersten Irak-Krieg niederschrieb. "Der arabische Titel bedeutet ,Weinen'. Aber das ist keine konkrete Stellungnahme zur Politik im Nahen Osten."

Das zweite Stück, "Aufbruch", erhielt seinen optimistischen Titel eher zufällig. Wenn es früheren Kompositionen ähnelt, werden sich die Hörer heute wie auf einer Hochzeit in Palästina fühlen: Odeh-Tamimis Misik ist sehr kraftvoll und körperlich. "Wenn ich die Klänge, die ich in mir höre, niederschreibe", sagt er, "fühle ich mich oft, als hätte ich unter einer Schleifmaschine gelegen."

Robert Braunmüller

Prinzregentheater, heute 20 Uhr. Wir verlosen 2 mal 3 Karten: Tel. (089) 461 36 430, ab 11 Uhr

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.