Unter der Discokugel

Franz Ferdinand suchen und finden den subtilen Sex-Appeal auf der Tanzfläche
von  Abendzeitung

Franz Ferdinand suchen und finden den subtilen Sex-Appeal auf der Tanzfläche

Im schäumenden Bugwasser von Franz Ferdinand tummeln sich die fröhlichen Nachahmer wie Tümmler. Und manche haben bewiesen, dass auch die Glasgower Vorreiter eines neuen Brit-Rock-Stils imitierbar sind – und zwar gut. „Tonight: Franz Ferdinand“ heißt das dritte Album der Band. Der erste Song „Ulysses“ führt aus der gradlinig, kindlichen Brit-Pop-Hüpfburg, die Disco immer als ein zur geraden Zählzeit Auf-der-Stelle-Hüpfen begriff, zu einem Beat, der den Sex-Appeal der Bewegung erkannt hat. Hier darf die Stimme sogar auf dem Höhepunkt der Anmache in Bee-Gees-Regionen kippen.

Natürlich gibt es noch den Rhythmus-Verweis auf die Band in ihrer Jugend-Zeit: „What She Came For“. An dessen Ende aber fallen Franz Ferdinand in einen rennenden Punk-Beat, als wollten sie dem eigenen Image davonlaufen. Das kann weit führen, wie gleich der nächste Song „Live Alone“ mit einer Atlantiküberquerung und dem Andocken am New Yorker Disco-Glam-Pier der späten 70er beweist. Und im folgenden „Can’t Stop Feeling“ lehnt man sich mit einem Electro-Intro ganz weit aus dem Fenster.

Trotz des österreichischen Namens sehr britische Briten

Bei aller Aufbruchsstimmung sind Franz Ferdinand eine britische Band geblieben, die die Scharlatanerie der Insel-Pop-Geschichte liebt. Klar sind in „Twilight Omens“ und dem folgenden „Bite Hard“ die Kinks und ihr Vaudeville-Sound als einer der Urmomente des Brit-Pops enthalten. Kaum etwas ist reizender, als dieser unbeholfen spielende, hölzerne Rhythmus, der vorgibt, nur der Träger einer unerhörten Geschichte zu sein.

Aber mit rostigen Retro-Synthie-Sounds der 80er entreißen Franz Ferdinand diese Songs dem Zeitbezug. Diese widersprüchlichen Marken heben den Band-Klang aus dem Zeiteindeutigen. Die minutenlange Ausschweifung von „Lucid Dreams“ – Electro-Retro-Futurismus als Fantasie zwischen Dance und Psychedelic – markiert die Spitze des eigenen Fortschritts. Andere mögen diesen Klang schon lange geträumt haben, in Franz Ferdinands Welt ist er neu.

chj

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