Umerziehung durch Sex
Vor diesem Film, wusste ich nichts von Politik. Ich war Jungfrau”. Sara Forestiers Satz in der Dankesrede für den César als „Beste Schauspielerin” erheiterte die Gäste und ging durch die Presse. Im persönlichen Gespräch beichtet sie ehrlich, sie habe auch jetzt noch nicht viel Ahnung, sei mehr künstlerisch interessiert. Wie gut, dass ihr Freund ihr manchmal die linksliberale „Libération” in die Hand drückt! Sie empfindet aber ein großes Gerechtigkeitsgefühl, „ich schaue herum, was um mich passiert und wenn ich mitkriege, wie Jugendliche in den Knast abgeschoben werden, bin ich wütend” so die 24-Jährige, die in Frankreich als Star mit Perspektive gehandelt wird.
Als aufbrausende Bahia verliebt sie sich in Michel Leclercs „Der Name der Leute” in den drögen Ornithologen Arthur Martin und läuft schon mal zerstreut nackt auf die Straße, merkt das erst in der Metro. Hemmungen? Fehlanzeige: „Das war eine Schlüsselszene für ihre Unschuld. Ich habe gesagt, lass uns die am ersten Tag drehen, dann kennen mich alle nackt und wir können locker weiterarbeiten. Es ging alles auch schnell, kaum einer der Passanten hat etwas gemerkt”.
Dass Bahia mit rechten Typen schläft, um die „Faschos” auf die richtige, sprich linke Seite zu ziehen, findet sie witzig: „Mir hat die unkonventionelle Figur Spaß gemacht. Sie setzt ihren Körper für ein für sie wichtiges Ziel ein. Es ist doch schade, dass ,Make Love not War’ heute fast anachronistisch wirkt. Ich bewundere den damaligen Idealismus und Mut der Hippies”.
Gesucht wurde eine Art arabische Marilyn, sie sollte ungestüm und sexy, aber nicht vulgär sein. Und die Französin war genau der richtige Typ - offen und spontan, etwas kindlich und naiv, voller Hingabe. Im Film begegnen sich in der algerisch-stämmigen Frau und dem Mann, der seine jüdischen Wurzeln verschweigt, zwei verletzte Seelen.
„In Frankreich zählt die Herkunft, es gibt diesen unsichtbaren Rassismus mit seinen unsichtbaren Mauern, man wird sehr schnell in eine soziale Schublade gesteckt und auf ein bestimmtes Verhalten fest gelegt”, ärgert sie sich und fordert, jeder müsse gegen diese ungeschriebenen Regeln kämpfen.
Beim Film landete Forestier durch Zufall. Als Dreizehnjährige begleitete sie eine Freundin zum Casting und sprach aus einer Laune heraus selber vor und schon hatte sie die erste kleine Rolle, ihre große Chance gab ihr Abdellativ Kechiche in „Nicht ja, nicht nein”, sie wurde 2005 Shooting Star auf der Berlinale und erhielt auch den César als „Beste Nachwuchsschauspielerin”. Unter Tom Tykwer spielte sie in „Das Parfum” und erinnert sich: „Er hatte eine Wahnsinnsmagie und mitreißende Überzeugungskraft”. Ihre Karriere läuft wie von selbst, Altmeister Alain Resnais engagierte sie in „Vorsicht Sehnsucht”, Joann Sfar in „Gainsbourg" (siehe DVD-Tipp, Seite 26) und zwischendurch steht sie auch auf der Bühne, seit vier Jahren malt sie. Privat ist sie verbandelt mit einem Musiker, den schon etwas die Eifersucht packt, wenn sie einen anderen auf Bühne oder Leinwand küsst.
Trotz aller Erfolge gerät sie immer noch vor dem ersten Drehtag in Panik, braucht jemand, der ihr Ego streichelt und versichert, du schaffst es. Aber: „Angst ist menschlich, ich will keine Perfektion, sondern Risiko, das Unkontrollierte”. Erst einmal hofft sie auf Regisseure, die sie fordern und zum Äußersten treiben. Ganz nebenbei hat sie noch einen Traum. Nach drei Kurzfilmen will sie noch in diesem Jahr ihren ersten eigenen Langfilm angehen und als Regisseurin der Fantasie freien Lauf lassen. Keine Frage, gelingen wird das dem Energiebündel sicherlich.
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