Um gute Figur bemüht
Das Leichte behielt Bodenhaftung: Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ im Gärtnerplatztheater vom Blatt inszeniert von der Brecht-Enkelin Johanna Schall
Die Pointen haben Falten angesetzt. Eine Ehefrau, die ihren Gatten betrügt, der sich als langweiliger Geigenlehrer durchs Leben schlägt und mit seinen Violinkompositionen die Umwelt nervt, antikes Götterpersonal, das einst pfiffig zur Schilderung gesellschaftlicher Zusammenhänge im Kaiserreich Napoleons III. genutzt wurde, aber jetzt kaum noch einen Lacher provoziert – daran haben sich schon einige Regisseure die Zähne ausgebissen.
Die Brecht-Enkelin Johanna Schall hatte zudem die mutige Idee, das Stück so zu belassen, wie es ist. Der deutsche Text von Ludwig Kalisch wurde mit Augenmaß überarbeitet. Aktuelle Bezüge blieben ausgespart. Die parodierenden Elemente kochten auf Sparflamme. Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ wandelte sich zum zähen Singspiel mit gelegentlicher Musik, biederen Tanzeinlagen (Romy Hochbaum) und Akteuren, die sich mühten, im stilistischen Niemandsland eine gute Figur zu machen.
Musikalisch rund
Weil irgendein Einfall sein musste, entschied sich die Regisseurin dazu, den Machtkampf zwischen Pluto (Mario Podrecnik) und Jupiter (Dirk Lohr) in den Mittelpunkt zu stellen. Beide sind scharf auf Eurydike (die Beste: Sybilla Duffe). Der eine hat sie, als Schäfer verkleidet, bereits vernascht. Der andere versucht es als Fliege – zu einem der hübschesten kompositorischen Einfälle des Stücks.
Wie überhaupt die musikalische Seite durchwegs zu überzeugen vermochte: Dirigent Andreas Kowalewitz entlockte dem Gärtnerplatzorchester präzisen Schwung, der Chor (Jörn Hinnerk Andresen) behauptete sich kraftvoll. Cornel Frey sang den Orpheus ebenso gut wie sein Alter Ego (Kumiko Yamauchi) die Geige spielte. Im Olymp hatten Ann-Katrin Naidu (Juno), Katja Stuber (Diana), Stefanie Kunschke (Cupido), Frances Lucey (Venus) und Márta Kosztolányi (Minerva) alles im Griff. Christoph Kayser servierte das berühmte Couplet des Merkur („Eh hopp!“) mit temperamentvollem Augenzwinkern. Eine Etage tiefer, in der Unterwelt, ließ Gunter Sonneson dem „Prinzen von Arkadien“ jene Ehre zuteil werden, die er verdiente.
Horst Vogelgesangs Spar-Bühnenbild und die Kostüme von Jenny Schall, der Schwester der Regisseurin, störten nicht. Allenfalls lieferten sie Argumente für jene, die während der zweieinhalb Stunden immer mal wieder darüber nachdachten, wie teuflisch schwer doch das angeblich so Leichte ist.
Volker Boser
Wieder am 20. und 23.2. sowie im März. Karten Tel. 21851960
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