Überlebenstaktik Liebe

In Montreal ausgezeichnet, diese Woche auch bei uns im Kino: Die Schauspielerin Barbara Sukowa zur Adaption von Uwe Timms Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

In Montreal ausgezeichnet, diese Woche auch bei uns im Kino: Die Schauspielerin Barbara Sukowa zur Adaption von Uwe Timms Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“

Sie gehört zu den international bekanntesten deutschen Schauspielerinnen – seit Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ oder Margarethe von Trottas „Die bleierne Zeit“ (1981). Soeben wurde Barbara Sukowa beim Filmfestival Montreal für ihre Rolle in „Die Entdeckung der Currywurst“ (ab Donnerstag im Kino), Ulla Wagners Adaption von Uwe Timms gleichnamiger Novelle, ausgezeichnet. Sukowa spielt die Hamburger Kantinenleiterin Lena, die kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen fahnenflüchtigen Soldaten (Alexander Khuon) versteckt und liebt, der halb so alt ist wie sie.

AZ: Frau Sukowa, zuletzt waren Sie 2003 in Hans Steinbichlers „Hierankl“ bei uns im Kino zu sehen. Warum machen Sie sich so rar?

BARBARA SUKOWA: Das liegt an den Anfragen. Zwischendurch gab es ganz schöne Drehbücher, aber die bekamen keine Finanzierung. Es wird schwierig, in Deutschland Filme zu machen.

Seit Sie Anfang der 90er Jahre nach New York gezogen sind, haben Sie in etlichen US-Produktionen mitgespielt. Was ist für Sie der Unterschied?

Ich muss sagen, ich arbeite nicht so gern in Amerika. Einerseits ist es die Sprache, andererseits eine ganz andere Atmosphäre. Wenn Sie in Deutschland einen Film wie „Hierankl“ drehen, arbeitet man sehr familiär. In Amerika ist das streng hierarchisch getrennt. Die Crew sitzt nicht mit den Schauspielern zusammen. Die Schauspieler reden kaum über ihre Rollen miteinander. Wenn jetzt nicht mal eine ganz tolle Rolle kommt, die ich bis jetzt noch nicht hatte, dann will ich es eigentlich nicht mehr machen.

Was hat Sie denn an der Lena in Ulla Wagners Film gereizt?

Dass sie eine Entwicklung hat, dass sie keine intellektuelle, gebildete Frau ist. Sie riskiert aber etwas. Es geht im Film ja weniger um die Nazizeit, das Buch ist da viel mehr fixiert auf die historische Situation. Der Film geht mehr auf die Beziehung zwischen den beiden Menschen ein, das hat mich interessiert.

Die Figur ist ja unverwüstlich optimistisch und lässt die Unbilden der Zeit nicht an sich heran. Halten Sie die Lebenseinstellung dieser Frau für realistisch in der Kriegszeit?

Ja, ich glaube, gerade in solchen Zeiten müssen die Menschen ihre seelischen Abwehrkräfte aufbauen. Wenn man Zeit hat und nicht arbeitet, setzen die Neurosen und Psychosen viel stärker ein, als wenn man mit dem täglichen Leben konfrontiert ist, arbeiten muss und es sich nicht leisten kann, in Depressionen zu verfallen. Das ist eine Überlebenstaktik. Deswegen haben ja die Leute auch so viel nicht wahrgenommen und an sich herangelassen, nehme ich an. Und wir fragen uns: Wie konnte das sein, dass sie nicht gemerkt haben, was vorging?

Im Mittelpunkt steht ja die Liebesbeziehung zwischen einer älteren Frau und einem viel jüngeren Mann, immer noch ein Tabuthema bei uns.

Diese Beziehung hätte so nicht stattgefunden, wenn es diese extreme Zeit nicht gegeben hätte. Beziehungen zwischen älteren Frauen und jüngeren Männern gibt es auch heute, das ist in Ordnung. Diese Ablehnung kommt aus der Religion oder einer puritanischen Haltung: Wenn Sex nicht dazu dient, Kinder zu zeugen, ist er böse. Bei einem alten Mann und einer jungen Frau ist es ja theoretisch möglich, dass ein Kind entsteht. Aber umgekehrt ist klar, dass es nur um die Lust geht. Es wäre schon gut, wenn da mehr Offenheit entstehen würde.

Reinhard Kleber

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.