Trompeten-Strahlen
Osterfestspiele in Salzburg: Einspringer Lance Ryan triumphiert in Simon Rattles „Siegfried“, er wurde am Ende frenetisch gefeiert.
In der Opernwelt geht’s manchmal seltsam zu. Vor zwei Wochen warf der Stuttgarter Generalmusikdirektor Manfred Honeck den kanadischen Tenor Lance Ryan als Lohengrin hinaus. Dann erkältete sich Ben Heppner und Simon Rattle suchte einen neuen Siegfried für die Salzburger Osterfestspiele. Der bereits in Karlsruhe und Straßburg erprobte Ryan hatte Zeit. Er wurde am Ende frenetisch gefeiert wie der Chef der Berliner Philharmoniker.
Das war mehr als der Bonus für einen Einspringer. Bei den Schmiedeliedern und im Schlussduett, wenn die meisten Sänger untergehen, strahlte er wie eine Trompete. Ohne Spuren von Ermüdung stand er die mörderische Rolle durch. Beim Waldweben floss sein Schmelz jedoch dickflüssig. Zwar hat er nicht besonders viele Farben auf seiner Palette, und gegen Ende krähte er gelegentlich unschön. Aber er spielt den Proleten im karierten Hemd gut. Und mehr als ein Unentschieden gegen die Partitur ist bei dieser Rolle ohnehin nicht zu holen. Mit diesem Auftritt ist Lance Ryan in die Champions League der Wagnersänger aufgestiegen.
Eine weitere Entdeckung war Burkhard Ulrich als Mime. Der schlaksige Tenor verwandelt sich mit der Färbung seiner Stimme in einen scharf deklamierenden Giftzwerg. Der Wanderer kam der bassig-seriösen Stimme von Willard White entgegen: In jedem Ton der Wissenswette war er ein Gott. Das letzte Aufbäumen seines Machtwillens im dritten Aufzug hatte tragische Größe. Und zuletzt verfiel die hochdramatisch auftrumpfende Katarina Dalayman im lyrischen „Ewig war ich“ nicht ins Flattern. Ihr kurzer Auftritt war mehr als ein Versprechen für die „Götterdämmerung“, mit der sich nächstes Jahr der Salzburger Oster-Ring rundet.
Simon Rattle liegt der vielschichtige „Siegfried“ offenbar mehr als die heroische „Walküre“ des Vorjahrs, in der die Berliner Philharmoniker selbstzweckhaft brillierten. Schon im kurzen Vorspiel schillerte die Düsternis in tausend Nuancen. Der Riesenwurm in der Basstuba röhrte nicht mit brachialer Opernhaus-Alltäglichkeit. Und beim Hornruf oder dem Fluch-Motiv gab es zarte Schattierungen in der Lautstärke, die nur diese Perfektionisten so hinbekommen, weil sie nicht mit den Noten kämpfen müssen.
Stéphane Braunschweigs Inszenierung blieb läppisch und dekorativ. Die Feuer- und Schlangen-Videos von Thibault Vancraenenbroeck verdoppeln, was sowieso jeder hört und weiß. Aber was soll’s: Die musikalische Seite stimmt. Und Ostern ist nun einmal das Festival der Berliner Philharmoniker. Buhs vom Rang für den Regisseur, kurzer und heftiger Jubel für alle anderen.
Robert Braunmüller
Großes Festspielhaus Salzburg, wieder 13. April, Infos zu Restkarten Tel.0043-662-8045-361
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