Triumphzug für zwei Kranführer
Verdis „Aida“ endet in Bregenz mit einer Mondfahrt über dem nächtlichen Bodensee
Die beiden blauen Füße, die in den Bodensee-Himmel ragen, so berechnete es ein Bregenzer Tüftler, haben die Schuhgröße 2400. Aida und Radamès werden zu Beginn der Oper aus dem Wasser gefischt. Archäologische Fundstücke, die das überraschte Bühnenpersonal zu Fantasien anregen. Regisseur Graham Vick erzählt die Geschichte der unglücklichen Liebe zwischen der äthiopischen Königstochter und dem ägyptischen Feldherrn in Rückblenden. Und natürlich nützen er und sein Ausstatter Paul Brown ausgiebig die Möglichkeiten der Seebühne.
Zum Triumphmarsch ist die Bühnentechnik in heller Aufregung. Ein bekränztes Haupt schwebt langsam heran, man erkennt, dass es sich um die Freiheitsstatue handelt. Die äthiopischen Gefangenen werden per Schiff angekarrt. In ihren rotweiss-gestreiften Jacken sehen sie aus wie Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr. Amonasro darf sich im späten Verlauf sogar als Froschmann präsentieren, der aus den Fluten auftaucht, um seinem Töchterchen Aida die Leviten zu lesen, und dann wieder davon schwimmt: Basis-Bariton Iain Paterson zeigt eindrucksvoll Flagge.
Die Seebühne ist kein Ort für's Subtile
Die ägyptischen Hohepriester, die den des Verrats angeklagten Radames zum Tode verurteilen, tragen Mitra und Bischofsstab – ein wenig aktuelle Sozialkritik sollte das wohl bedeuten, aber so recht anfreunden konnte man sich nicht damit. Wer die Lösung psychologischer Grundsatzprobleme erwartet, ist beim Bregenzer Spiel auf dem See ohnehin fehl am Platz. Aber so gag-verliebt wie diesmal braucht es nun auch nicht zuzugehen. Die Kraftakte einer aufwändigen Bühnentechnik, deren wichtigstes Ziel es ist, innerhalb von zwei Spielzeiten mit „Aida“ gut 350000 Besucher an den Bodensee zu locken, wirken ziemlich an den Haaren herbeigezogen.
Zwei riesige Kräne schleppen beständig neue Requisiten heran, am Ende eine kleine Barke, mit der die Liebenden in den Himmel entschweben. Aidas Mondfahrt – dieser Schluss verzaubert und lässt vergessen, dass das Spektakel die Musik in den Hintergrund drängt. Die Äthiopier singen besser als die Ägypter: Aida (Tatiana Serjan) und Amonasro sind die stimmlichen Helden des von Carlo Rizzi korrekt dirigierten Abends.
Die Kranführer waren besser als die Sänger
Radamès (Rubens Pelizzari) schien im Nilakt die Puste auszugehen, zumal er auch körperlich gefordert wurde. Etwa in der Szene mit Amneris (Iano Tamar), wo er, in einem Käfig schwebend, der liebeslüsternen Ägypterin Rede und Antwort zu stehen hat. Verdi-Fans sollten gewarnt sein: Statt ernstzunehmender Oper bietet Bregenz ein effektvolles Event. Musical-Pointen statt Klassik-Tiefsinn: Die beiden Kranführer haben die anspruchsvollsten Aufgaben zu lösen und bewältigen diese mit Bravour.
Volker Boser
Bis 23.8. auf der Seebühne, Karten: Tel.0043-5574-407-6
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