Tränen lügen nie?

Nach Zürich nun im Resi-Repertoire: Birgit Minichmayr und Sebastian Blomberg liefern sich in Martin Kušejs Inszenierung von „Das Interview” ein Psychoduell um Sein und Schein
Michael Stadler |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Die Übernahme einer Inszenierung von einem Haus ins andere ist immer etwas Kniffliges, für die informierten Zuschauer, die Darsteller, die Kritiker. Denn zu lesen war schon, dass Martin Kušejs Inszenierung von „Das Interview” für das Theater Neumarkt in Zürich ein intensives Duell sei, dicht inszeniert, stark gespielt, und was mehr konnte bei der Münchner Premiere passieren, als dass sich der gute Ruf der Inszenierung bestätigt oder vor Augen geführt wird, dass die Spannung beim Transfer verloren gegangen ist, sich die Lobenden gar getäuscht haben?

Der Boden füllende Flokatiteppich, auf dem sich Birgit Minichmayr räkeln wird, ist auch im Marstall flauschig, der TV-Bildschirm an der Wand weiterhin flach und die Atmosphäre ganz schön noir. Theodor Holmans Drehbuch über die furchtbare Unauflösbarkeit von Sein und Schein hat der holländische Regisseur Theo van Gogh 2003 verfilmt, 2004 wurde der islamkritische van Gogh auf offener Straße erschossen.

Der Film gehört zu seinem Vermächtnis, und obwohl nun das Stück die Glaubensbereitschaft der Zuschauer ebenfalls strapaziert – Politikjournalist Pierre muss Filmsternchen Katja interviewen, verhakt sich mit ihr in einem Psychoduell, bei dem sie sich gegenseitig (vermeintliche) dunkle Geheimnisse herauslocken – obwohl im Übermaß Dramatik aus der Situation geklopft wird, bietet es die Möglichkeit für ein irrlichterndes, sich unendlich potenzierendes Spiel.

Sebastian Blomberg lässt Pierre zwischen linkischem Intellektuellen, Hanswurst und sinisterem Mordbuben changieren. Triumphierend hält er Katjas Tagebuch in der Hand, ein Tagebuch, da müsste doch der menschliche Kern drin stecken!, und doch wird er verlieren, weil eine Schauspielerin sich im Lügen letztlich besser versteht. Das Schöne bei Birgit Minichmayr ist, dass sie, so wie es ihre Rolle verlangt, alles in der Schwebe lassen kann und dabei doch nicht kalt wird. Sie spielt die Tragödie einer Schauspielerin, die wohl selbst nicht mehr richtig weiß, ob ihre Tränen echt sind. Im Marstall muss sich dieses Duo noch eingrooven, aber es bleibt dabei: dicht inszeniert, stark gespielt.

Marstall, 20., 21., 26., 27. Dezember, 20 Uhr, Tel. 2185 1940

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.