Theater ohne Vorhang

Das Cuvilliés-Theater ist Deutschlands teuerster Kulturtempel und für private Veranstalter unattraktiv. Vorschläge zu einer angemessenen Bespielung blieben bisher ohne Erfolg, wodurch sinnvolle Opern-Ideen verhindert werden.
von  Abendzeitung

Das Cuvilliés-Theater ist Deutschlands teuerster Kulturtempel und für private Veranstalter unattraktiv. Vorschläge zu einer angemessenen Bespielung blieben bisher ohne Erfolg, wodurch sinnvolle Opern-Ideen verhindert werden.

Sie ist ein Meilenstein der Musikgeschichte unserer Stadt: Ende April war im Rokokotheater von Schwetzingen die Oper „Niobe“ zu sehen. Agostino Steffani schrieb sie 1688 für Kurfürst Max Emanuel. Nun gastiert die Produktion in Bonn und Lissabon. Bloß nach München kommt sie nicht.

Florian Timm ärgert das: Der Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Originalklang-Ensembles Neue Hofkapelle hätte „Niobe“ zur Residenzwoche gern ins Cuvilliés-Theater geholt. Zwei Aufführungen würden 300 000 Euro kosten – ein Klacks angesichts der 25 Millionen für die Erneuerung des schönsten Rokokotheaters der Welt, das am Samstag mit Mozarts „Idomeneo“ wiedereröffnet wird.

Timm versucht seit Jahren, die zuständigen Ministerien von einer historisch angemessenen Bespielung des Cuvilliés-Theaters zu überzeugen – ohne Erfolg. Wie sie aussehen könnte, führte die Neue Hofkapelle 2003 dort vor: Christoph Hammer dirigierte damals Ferrandinis „Catone in Utica“, mit dem die kurfürstliche Hofoper 1754 eröffnet wurde.

Die Rokoko-Pracht wird zukünftig vom Staatsschauspiel an rund 100 Abenden genutzt. Weil die Staatsoper unter dem Druck hoher Einspielquoten das kleine Theater nach „Idomeneo“ kaum bespielen kann, will Timm die von der Schlösserverwaltung mehr geduldete als geförderte Residenzwoche zu einem internationalen Festival erweitern. Dabei könnte das zur Mitfinanzierung der Renovierung gegründete „Comitée Cuvillés“ als Netzwerk wirken. Die jährliche Opernaufführung würde auch in anderen historischen Theatern Bayerns wie dem Markgräflichen Opernhaus gastieren, das derzeit nur bespielt wird, wenn es die Stadt Bayreuth von der Schlösserverwaltung für ein hübsches Sümmchen mietet.

Ähnliche Festivals sind in Schwetzingen oder Ludwigsburg mit öffentlicher Förderung erfolgreich. Geld wäre auch in München da: Timm schlägt vor, die Mieteinahmen in die Bespielung zu investieren. Viel Gegenliebe erhielt diese vernünftige Idee nicht. Das Kunstministerium hat in der Residenz keinen Einfluss. Die Schlösserverwaltung ist gespalten zwischen denkmalpflegerischem Unbehagen am Theaterbetrieb und dem Renditewahn des Finanzministeriums: Dem Staatsschauspiel knöpft es aus seinem extra erhöhten Etat pro Abend 5000 Euro ab, die eine Amtskasse der anderen überweist.

Im Verhältnis der Miete zur Zahl der Plätze ist das Cuvilliés-Theater Deutschlands teuerster Kulturtempel und für private Veranstalter unattraktiv. Das viel größere Prinze kann man ab 3500 Euro haben. Dafür gibt es dort ein Konzertzimmer auf der Bühne, das knausrige Finanzschildbürger bei des Rokokotheaters überflüssig fanden. Die Staatsoper bastelt für ihre Kammerkonzerte ein Provisorium, das später weitervermietet wird. Auch der Hauptvorhang fehlt zur Eröffnung – er wird erst zum regulären Spielbetrieb im Herbst geliefert.

Das Cuvilliés-Theater als kleines Haus des Staatsschauspiels – gut, schön und notwendig. Daneben werden dort künftig nichtöffentliche Charity-Veranstaltungen von Banken oder der Filmpreis glitzern. „Anderswo werden Musiker und Schauspieler bezahlt, um ein Theater zu bespielen“, sagt Timm. „In Bayern können sie sich glücklich schätzen, wenn sie dafür zahlen dürfen. Es ist alles halt ein bisserl anders – wie so vieles.“ Dass private Kultur-Initiativen durch die saftige Miete aus dem vom Steuerzahler renovierten Bau gehalten werden, ist nicht nur ärgerlich, sondern ein Skandal.

Robert Braunmüller

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