Teuflisch, dieser Strauß

Ziemlich turbulent, aber genauso bieder geht’s in Ulrich Peters’ Neuinszenierung der „Fledermaus“ am Gärtnerplatztheater zu
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Ziemlich turbulent, aber genauso bieder geht’s in Ulrich Peters’ Neuinszenierung der „Fledermaus“ am Gärtnerplatztheater zu

Am Ende klettert die wahre Fledermaus flink nach oben. Dirigent Andreas Kowalewitz hatte sich neckische Flügelchen angelegt, passend zum Frack. Was die Bühne dieser Über-Operette letztlich schuldig blieb, prickelte schmackhaft aus dem Orchestergraben. Und brachte wieder einmal die alte Frage auf, warum Launiges auf Teufel komm raus einen Extra-Plot braucht. Zumal das Gros dieser pfiffigen Ideen nicht einmal auffiel.

Und da wir schon mal bei Luzifer sind: Intendant Ulrich Peters, der diese „Fledermaus“ mit quecksilbriger Regie versah, führte einen teuflischen Dauer-Frosch ein. Schauspieler Thomas Peters, der eigentlich erst im dritten Akt schnapselnd durchs Gefängnis torkeln darf, flitzt erst als Diener, später in Offiziersuniform durch die Szene. Und hat am Ende Hörnchen auf! Denn klar, das Böse ist immer und überall. Und wenn man noch ein „R“ reinflickt, wird der Bö-r-senkrach perfekt.

Walzer-Cocktail mit Cancan

Doch das störte nicht im flattrigen Tumult, der mit Schmackes durch die Walzerwelt fegte, um zwischendurch bei Monsieur Offenbach zu landen. Eine Cancan-Truppe, resch wie das Fernsehballett aus den Siebzigern, entfachte Unterwelts(!)stimmung bei Orlofskys Partyvolk. Dass dann noch der Komponist, Johann Strauß persönlich, und sein französischer Konkurrent einträchtig durch die Prinzenvilla schwadronierten, trug zur Erhellung noch weniger bei als der Teufel. Vom Bayerischen Defiliermarsch – huch, Krieg – ganz zu schweigen. Und warum im Hintergrund Ingres’ dekorativ angekettete Angelica die Wand zieren musste, wissen wirklich nur die Götter. Oder Ulrich Peters.

Sei’s drum, die Operette kam so schön in Fahrt bei den fabelhaften Eisensteins (Daniel Fiolka und Prachtweib Heike Susanne Daum) und ihrem Stubenmädl (Sibylla Duffe trällerte glasklare Koloraturen). Mit all den gut abgehangenen Gags und den netten Seitenhieben auf Politik, Finanzwelt und die hochnäsige Staatsoper. Das gehört zur „Fledermaus“ wie die Kerze zum Advent. Und selbst die Belle-Epoque-Maskerade (Bühne: Herbert Buckmiller, Kostüme: Götz Lanzelot Fischer) im Stil bieder-braver Revue-Schmonzetten war nicht verkehrt. Nur wollte der Regisseur arg viel und entschied doch wenig. Vom Orlofsky (Franziska Rabl mit schwerfälligem Mezzo), der in seiner dominahaften Weiblichkeit im Nebel blieb, bis zum plötzlich sächselnden Gefängnisdirektor Frank (Dirk Lohr).

Das süffig-süffisante Flattertier saugte also besser an der Musik, am walzersatten Champagner-Cocktail, der unter der Bühne schäumte. Gemixt aus duftig-elegantem Steicherklang, humorvoll-delikatem Holz und fein dosiertem Strauß-Schmäh.

Christa Sigg

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