Tauchen in der Brennsuppe

Augen auf! In „Drecksbagage“ grantelt das wenig lyrische Ich von Gerhard Polt über den Untergang des Abendlandes.
von  Abendzeitung

Augen auf! In „Drecksbagage“ grantelt das wenig lyrische Ich von Gerhard Polt über den Untergang des Abendlandes.

Nichts ist dem Bayern wurscht, schon gar nicht die bajuwarischen Ess-Traditionen. Sakradi, kaum lässt man sich vom zugereisten Nachbarn zum Essen einladen, schon erweist sich die Grenzüberschreitung als Blick in den Abgrund: „DerMann bringt das! Er bringt es fertig und grillt eine Weißwurst.“ Der Untergang des Abendlandes – besiegelt.

Der Ton der Empörung, bei keinem klingt er so komisch wie bei Gerhard Polt, weil der Grantler weit ausholt und stets eng denkt, bis er selbst als beklagenswertes Individuum dasteht. Eine Sammlung von Tiraden lässt der Münchner in dem Bändchen „Drecksbagage“ auf den Leser los, und dass hier Reden auf Stammtisch-Niveau wuchern, machen allein die eingestreuten Illustrationen von Reiner Zimnik klar: Ein Mann sitzt auf einem Schemel, trinktWeißbier und blickt dem Leser entgegen.

Polts Ich-Erzähler vereinnahmt den Adressaten gern mit einem „wir“, während der sich gern distanzieren würde, haut Polt doch in eine Kerbe, von der man hofft, dass man sie nicht selbst mal angeritzt hat.

Als „Konservator“ beklagt der Weißbier-Halter die Rückkehr der Vandalen:Wenn eine japanische Autofirma im Schloss Nymphenburg einen Wagen platzieren will, ist das, zumindest preislich, okay. Aber wenn einer im Schloss einen Kaugummi auf den König Ludwig klebt, ist das Fass mehr als voll. Mehr Transparenz muss sein, nicht unbedingt in der Politik, aber im Bierglas – wer weiß, was im Steinkrug schwimmt.

Polt bleibt mit diesem Buch im Fluss der eigenen Tradition, manche Strömung ist arg bekannt – der Hinrainer Rudi hat natürlich eine Thailänderin zur Frau (die dritte!), die eigene Gattin serviert brav das Weißbier, aber vielleicht hat sich ja nicht viel geändert.

Oder man will seinen Polt gar nicht anders. Nostalgisch darf auch der Grantler werden, als CSU-Sammler bewahrt er Heiligenbilder von Strauß und Co., auch Stoiber ist dabei: „Das sind ja jetzt Märtyrerbilder!“ Seine Opfer bringt Polt weiterhin. Tief taucht er in die Brennsuppen ein, auf der so einige dahergeschwommen kommen, aber es wäre spannend, ihn mal fern der Brühe zu erleben.

Michael Stadler

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.