Suche nach Perfektion
Der Gärtnerplatz-Ballettchef Hans Henning Paar über die Premiere von „Copy Coppelia“, einem Abend über künstliche Wirklichkeit und Maschinenmenschen
Der plötzliche Tod des Ensemblemitglieds Sebastian Nichita überschattet die Premiere von „Copy Coppelia“ am Samstag. In „Der kleine Prinz“ tanzte er die Rolle des Piloten, in Hans Henning Paars neuer Choreografie hätte er in der Gruppe mitgewirkt.
AZ: Herr Paar, wie gehen Sie mit diesem Verlust um?
HANS HENNING PAAR: Wenn jemand gestorben ist, ist Tanzen das Letzte, was man tun möchte. Sebastian Nichitas Tod in der Woche vor der Premiere ist traumatisch für uns alle. Aus Disziplin trotzdem weiterzuarbeiten, hat uns sehr geholfen.
Wie verhält sich Ihre Choreografie zum Klassiker?
Die Idee, den Tod durch eine perfekte Mensch-Maschine zu überlisten, ist ein uraltes Thema vom Golem über das folkloristische „Coppelia“-Ballett bis zur „Matrix“-Trilogie im Kino. In einer zweiten Schicht geht es mir um den Tänzer, der Bewegungen kopiert, sich bei der Probe im Spiegel betrachtet und nach der perfekten Form sucht.
In der alten „Coppelia“ baut ein Professor eine Puppe.
Ich kehre die Geschichte um und frage: Was passiert, wenn sich Wesen, welcher Art auch immer, einen Menschen schaffen? Was ist echt und was nicht, wenn sich Menschen in virtuellen Chat-Welten im Internet eine eigene, künstliche Persönlichkeit erfinden?
Einige Figuren aus dem Personenverzeichnis sind bekannt, andere neu.
Neben der Zweiergeschichte von Coppelius und Coppelia treten noch andere Wesen auf, die bestimmte Stadien des künstlichen Menschen darstellen. Es gibt Zwillinge, zwei Tänzer, die wie ein Körper funktionieren. Beim Spitzenmodell geht es darum, die Technik auf einen Speed up zu bringen. Dann gibt es noch eine Medusa, die vielleicht eine Coppelia werden sollte, aber nicht funktionierte. Die Rohlinge bilden eine Art tänzerische Rohmasse, wie eine Stammzelle, aus der alles geschaffen werden kann.
Der Abend ist demnach weniger erzählend als Ihr „Kleiner Prinz“ oder „Les autres“?
Kurz vor der Premiere fällt mir die Distanz zur eigenen Arbeit schwer. Ich kann nur noch fragen: Was seht ihr? Der Tanz bleibt diesmal eher in einem abstrakten Raum. Es ist ein kurzer, pausenloser Einakter von 70 Minuten, der aber alles erzählt, was für mich momentan wichtig ist.
Zu welcher Musik wird getanzt?
Es gibt keinen einzigen Ton von Leo Delibes. Ich verwende nur zeitgenössische, elektronische Klänge und Sound-Collagen als Atmosphäre. Einiges stammt von Åke Parmerud, einem der abgefahrensten schwedischen Komponisten. Auch Musik von Reinhard Febel habe ich verwendet: Er komponiert, als würde Mahler heute leben.
Robert Braunmüller
Premiere am Sa, 19.30 Uhr. Auch am 19. und 28.1. und im Februar. Karten: Tel. 21 85 19 60
- Themen: