Sturzhelm als Pferdefuß
Tanzsommer Innsbruck: Start mit „Romeo und Julia“ der italienischen Kompanie Aterballetto
Auch Planungsfehler können zu Erfolgsgeschichten werden. 1995 sollte der Kulturmanager Josef Resch das Musical „Grease“ nach Innsbruck holen. Die Plakate waren schon gedruckt, als man merkte, dass der Saal im Kongresszentrum Dogana nicht über die nötige Bühnentechnik verfügte. Was tun? Ein Event musste her. Mit Eva-Maria Lerchenberg-Thöny, die das Ballett am Tiroler Landestheater geleitet hatte (seit 2007 ist sie Ballettdirektorin in Braunschweig), stampfte Resch ein Tanzfestival aus dem Boden. Heuer geht der Tanzsommer Innsbruck, noch immer unter Leitung von Josef Resch (58), in sein 14. Jahr und verbucht 40000 Zuschauer.
Eine gigantische Zahl im Verhältnis zu den 120000 Einwohnern Innsbrucks. Die tragen „ihr“ Festival mit: Es ist Ehrensache, beim Vorverkaufsstart Schlange zu stehen. Ein Drittel der Besucher kommt von außerhalb Tirols, die meisten aus Bayern und München. Diese Akzeptanz hat Resch mit kaufmännischem Kalkül, psychologischer Strategie („wenn Frauen sich mehr für Tanz interessieren als Männer, muss ich mit schönen Männern werben“) und einer klugen Mischung aus Populärem und Klassischem erreicht.
Für den hohen Kunstanspruch steht Aterballetto, Italiens wichtigste moderne Tanzkompanie, die mit „Romeo und Julia“ den diesjährigen Tanzsommer eröffnete. Mauro Bigonzettis Inszenierung bedarf allerdings einer Gebrauchsanweisung. Dass der Choreograf die Story rückwärts erzählt und die vermeintlichen Sonnenliegen am Anfang bereits die Todesgruft sind, kann man kaum erraten. Logischerweise endet das Stück mit der Balkonszene. Die Apotheose gehört nicht dem Tod, sondern der Liebe. Die ist dem Kampf verschwistert: Bigonzetti stellt nur zwei martialische Jugendgangs mit Knie- und Ellbogenschützern auf die Bühne. Alle jungen Tänzer sind hier Romeo und Julia, verschmelzen mit kantiger Dynamik Eros und Aggression. Wunderschön ist die Liebesnacht, zirzensisch (auch kopfüber) und doch ganz intim getanzt in einem vertikalen Rund. Die Hauptrolle spielt aber ein Sturzhelm als Pferdefuß und tückisch schwankendes Standbein für akrobatische Balance-Acts der Männer. Nach der Vorstellung trug ein Innsbrucker Romeo seiner überraschten Julia auf offener Bühne die Heirat an: Ein Kuss verschluckte die Antwort.
Keine Gebrauchsanweisung braucht man für die nächsten Gastspiele: Die an „Stomp“ orientierte Rhythmus-Tanzshow „Be!“ von Mayumana und die mexikanische Lebensfreude von „Jarocho“. Und Chinas zur Frau umoperierter Tanzstar Jin Xing beschließt den Tanzsommer. Gabriella Lorenz
Mayumana: „Be!“ 2. – 7. Juli, „Jarocho“ 10. – 14. Juli, Jin Xing 17. Juli, TicketsTel. 0043/ 512/ 561561, www.tanzsommer.at