Strafe für zu frühen Ruhm

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Gelten Sperrfristen? Am Beispiel von Daniel Kehlmann will Rowohlt ein Exempel statuieren
Bücher besprechen kann für Journalisten teuer werden. 50000 Euro etwa kostet es, wenn man das neue Buch von Bestsellerautor Richard David Precht („Wer bin ich – und wenn ja, wieviele?“) zum Thema Liebe („Ein unordentliches Gefühl“) vor dem 10. März 2009 in einem Zeitungsbeitrag würdigt. Wer die so lautende „Geheimhaltunsvereinbarung“ mit dem Verlag nicht unterschreibt, bekommt das Buch erst gar nicht.
Doch was auf den ersten Blick wie Gängelei klingt, haben sich die Journalisten selbst zuzuschreiben. Im leicht streberhaften Ehrgeiz, als erster seine Meinung kund zu tun, werden Spitzentitel von Sonntagszeitungen und Wochenmagazinen oft schon etliche Wochen vor Erscheinen besprochen. Wer - durch den Artikel animiert - die nächste Buchhandlung ansteuert, stößt dann auf ein Schulterzucken und wird enttäuscht. Verlage befürchten, dass diese potentiellen Käufer nicht ein weiteres Mal den Anlauf starten, dieses Buch zu erwerben.
Porträt oder Rezension?
So war es, als der „Spiegel“ Wochen vor der Auslieferung von Daniel Kehlmanns Buch „Ruhm“ (Rowohlt) eine Geschichte über den Erfolgsautor brachte. Ob der Artikel nun wie mit Rowohlt besprochen ein Porträt oder doch eine Art vorgezogener Kritik darstellt, wird bald ein Gericht klären. Rowohlt reichte Klage gegen den „Spiegel“ ein und erntet dafür bei anderen Verlagshäusern durchaus Zustimmung. Denn den Pressestellen der Verlage geht der unverbindliche Umgang mit den so genannten Sperrfristen schon lange gegen den Strich. Sie wollen die Presse-Kampagne für einen Spitzentitel möglichst zielgenau steuern können.
Der Prozess wird interessant
Rainer Dresen, Jurist bei Random House und zuständig für ein paar Dutzend Verlage, freut sich auf den „sehr interessanten“ Prozess. Schließlich müssen die Richter neben der inhaltlichen Abgrenzung von Porträt und Kritik auch klären, ob die mündliche Zusage des Spiegel-Redakteurs, sich an die Frist zu halten, als Vertrag gelten kann, und ob der frühe Abdruck zu einem Schaden geführt hat. Dass Rowohlt wirklich die 250000 Euro Konventionalstrafe kassiert, glaubt niemand. Auch Dresen ist kein Fall bekannt, bei dem eine hohe Zahlung fällig geworden wäre.
Rowohlt will mit dem Gang vor Gericht wohl eher ein Zeichen setzen. „Wenn wir nicht sofort signalisiert hätten, gegen den ,Spiegel’ vorzugehen, wären sicherlich noch etliche Kritiken weit vor Erscheinungstermin des Buches gedruckt worden“, sagt Ursula Steffens, Pressechefin bei Rowohlt. Im Falle einer Niederlage von Rowohlt sieht sie nur eine Chance: „Dann muss ich den Journalisten, die immer wieder vorpreschen, zukünftig die Bücher später schicken.“ Kein großes Opfer, schließlich haben selbst die erfolgreichen Publikumsverlage selten mehr als zwei, drei Titel im Programm, bei denen sich überhaupt ein journalistischer Konkurrenzkampf entwickeln könnte.
Volker Isfort
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