Sterne und Rauchzeichen
Wer entscheidet, was die Münchner Philharmoniker spielen? Der Intendant Paul Müller über seine Aufgaben
Vor gut einem Jahr, im März 2008, trat der neue Intendant der Münchner Philharmoniker sein Amt an. Der mit dem Generalmusikdirektor Christian Thielemann zerstrittene Wouter Hoekstra genießt seitdem eine Abfindung in unbekannter Höhe. Für ihn kam Paul Müller von den Bamberger Symphonikern an die Isar.
AZ: Herr Müller, im Theater hat der Intendant die Hoheit über das Programm. Ist das bei Orchestern ähnlich?
PAUL MÜLLER: Dafür gibt es unterschiedliche Modelle. Bei uns hat Christian Thielemann als Generalmusikdirektor die Hoheit über die Gesamtplanung. Ich bespreche mit ihm, welche Stücke er langfristig machen will, die Programme der Gastdirigenten sowie unserer Tourneen, und dann lege ich los!
Die Programme unterscheiden sich kaum von denen Ihres Vorgängers Wouter Hoekstra.
Ich bin nicht dafür, permanent das Rad neu zu erfinden. Das Orchester spielt über 100 Konzerte pro Saison. Um das Publikum zu bedienen, müssen wir uns breit aufstellen. Im Januar gab es eine Abonnentenkonferenz. Einige verlangten Beethoven, Mozart und Brahms, andere wollten Modernes wie Messiaens „Des Canyons Aux Étoiles“. Ausgewogenheit ist der einzige Weg, den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden.
Auch neue Köpfe am Pult gibt es kaum.
Die Verbindung zwischen einem Orchester und Dirigenten hat viel mit Vertrauen zu tun. Das lässt sich nicht in einem Jahr aufbauen. Entscheidend ist, was das Orchester künstlerisch weiterbringt. Und natürlich gibt es noch sehr viel zu tun.
Wie wichtig sind Jubiläen wie das Händel-Jahr für die Planung der Konzerte?
Sie sind ein wichtiger Marketing-Aspekt. Entscheidend ist aber, wieviel ein Komponist mit unserem Orchester zu tun hat. Bei Händel, einem genialen Komponisten, ist das sicher weniger der Fall. Von Haydn machen wir zum 200. Todestag in der kommenden Saison noch „Die Schöpfung“ unter Thomas Hengelbrock. Für 2011 steht ein Mahler-Jahr bevor: Unser Orchester hat seine Vierte, Achte und das „Lied von der Erde“ uraufgeführt. Da beantwortet sich Ihre Frage wohl von selbst.
Wird Thielemann dann auch Mahler dirigieren?
Das müssen Sie ihn selbst fragen.
Was sagen Sie zur Kritik an der Konzentration des Generalmusikdirektors auf Beethoven, Brahms und Bruckner?
Im Januar hat Christian Thielemann ein französisches Programm mit Debussys „Images“ dirigiert, vor kurzem ein Stück von Henze, heute Abend leitet er Arnold Schönbergs Tondichtung „Pelleas und Melisande“. Deshalb überrascht mich diese Diskussion. Und: Bruckner mit den Philharmonikern und ihm ist einmalig. Diese Einzigartigkeit ist unser Plus. In einer Zeit, in der alles immer vergleichbarer wird, muss man diese Individualität pflegen.
In der nächsten Saison kommen eine konzertante „Elektra“ sowie Auszüge aus „Fidelio“ und „Elektra“. Ist Gesang im Gasteig nicht besonders heikel?
Wir machen die Strauss-Oper in Baden-Baden szenisch, da wäre es absurd, dieses Projekt in München auszusparen. Christian Thielemanns Zyklus mit den selten gespielten Orchesterliedern von Richard Strauss halte ich für eine gute und außergewöhnliche Idee. Das Problem der Akustik lässt sich nicht von heute auf morgen beheben, aber es wird sich in Zukunft sicher etwas tun.
Ein Hauptargument des BR-Symphonieorchesters in der Debatte um einen neuen Konzertsaal ist die Planungsunsicherheit in der Philharmonie. Wie sehen Sie das?
Im Auftrag der Gasteig GmbH prüft derzeit eine Management-Beratung, ob beide Orchester nach einem Umbau den Saal parallel nutzen könnten. Wir möchten dazu eine objektive Aussage. Die Philharmoniker wären bereit, auf einen Teil ihrer Flexibilität zu verzichten. Anfang Mai werden wir mit den Damen und Herren vom Bayerischen Rundfunk darüber reden. Es gibt positive Rauchzeichen, aber mehr kann man im Moment dazu noch nicht sagen.
Robert Braunmüller
Heute (20 Uhr), Samstag und Sonntag (jeweils 19 Uhr) dirigiert Christian Thielemann in der Philharmonie Mozart, Schreker und Schönberg. Restkarten an der Abendkasse