Standing Ovations für den Stadtneurotiker

Kein Gequassel, nur die Musik: Woody Allen begeistert mit der Klarinette.
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Kein Gequassel, nur die Musik: Woody Allen begeistert mit der Klarinette.

„Wirklich innovativ ist man nur dann, wenn einmal etwas danebengegangen ist.“ Ginge es nach diesem Allenschen Bonmot hätte der Meister des jüdischen Wortwitzes in der ausverkauften Philharmonie ein Feuerwerk abbrennen müssen. Denn der New Yorker Starregisseur und Hobbyklarinettist kokettiert gerne damit, sich bei seinen musikalischen Ausflügen amateurhafte Fehler zu leisten. Diese ironische Selbsteinschätzung kann der 74-Jährige Stadtneurotiker bei seiner fast zweistündigen Zeitreise in die Dixielandära nicht aus der Welt schaffen. Dennoch feiert ihn das bunt gemischte Publikum am Ende des Konzerts wie einen Popstar für Intellektuelle. Selbst ein rüstiger Autogrammjäger erhascht dabei noch eine Widmung des Filmgenies.

Das Bemerkenswerte an dieser Euphoriewelle ist, dass Woody Allen sie nicht mit billigen Showeffekten erreicht. Der schmächtige Mann mit den hängenden Schultern und der charakteristischen Hornbrille konzentriert sich mit seinen sechs Bandkollegen ganz auf die Musik, und hält sich verbal – im Gegensatz zu seinen Filmauftritten als Dauerquassler – merklich zurück. Auf der Bühne übernimmt der feixende Bandleader und Banjovirtuose Eddy Davis das Kommando. Er gibt Einsätze vor und zeigt mit viel Schmelz in der Stimme auch seine Gesangsqualitäten. Allen ist ein harmonischer Teil dieses spielfreudigen Kollektivs. Wenn er in den Pausen mal kurz zur Salzsäule erstarrt, kann man sich sicher sein, dass er seiner Klarinette bald wieder herrlich schräge Wimmerlaute entlockt.

Im Programm stehen, wie nicht anders zu erwarten, schmissige 20er Jahre Dixielandklassiker („Down By The Riverside“), sentimentale Schlafwagenstücke im grünlichen Schummerlicht („After You’ve Gone“) oder eingejazzte Gassenhauer („Oh Tannenbaum“). Mit dem lässig vorgetragenen und nie auf technische Perfektion bedachten Repertoire widerlegt Allen endgültig seine These, dass „New Orleans Jazz auf Damen ähnlich sperrig wirkt wie gregorianische Choräle.“ Florian Koch

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