Spielend zum Erfolg
Ein neuer Trend in der Klassik ist die Bearbeitung von Videospielen. Der junge Pianist Benyamin Nuss erklärt im Interview, was diese Musik so spannend und so populär macht
Final Fantasy“ oder „Lost Odyssey“ – mit diesen Namen können mittlerweile nicht nur Videospieler, sondern, Benyamin Nuss sei Dank, auch Klassikfreunde etwas anfangen. Der Pianist aus Bergisch Gladbach hat sich auf die Interpretation von Computerspielmusik von Nobuo Uematsu spezialisiert. Am Donnerstag stellt Nuss sein Aufsehen erregendes Album „Benyamin Nuss plays Uematsu“ erstmals in München vor.
AZ: Herr Nuss, was reizt Sie an Videospielmusik?
BENYAMIN NUSS: Im Original klingt das alles nach Synthesizer. Ich finde es spannend, diese Musik für das Klavier umzuschreiben, um sie konzerttauglich zu machen.
Sie adaptieren vor allem Rollenspiele wie „Final Fantasy“, warum eignet sich dieses Genre besonders für eine Interpretation?
Beim Rollenspiel, das ähnlich wie die Filmmusik mit Leitmotiven arbeitet, geht die Musik völlig auf das Spielgeschehen ein. Bei Ballerspielen dient sie eigentlich nur dazu, um deine Herzfrequenz zu steigern. Und bei Jump’n’Runs wie „Super Mario“ ist sie einfach nur der Hintergrund. Außerdem setze ich besonders gerne Videospiele um, die ich selber auch spiele.
Erreichen Sie mit Videospielmusik ein völlig neues Klassikpublikum?
Natürlich zieht diese Musik mehr junge Leute an, aber das Publikum ist durchaus gemischt. Ich habe auch einmal ein Konzert gespielt, da war nur so ein typisch konservatives Ü60-Publikum anwesend. Aber denen hat es trotzdem gefallen, weil es zwar etwas Neues war, aber nicht schräg, sondern bekannt klang. Im Gegensatz zu so mancher neuer Musik überfordern Videospielstücke nicht die Ohren. Das ist auch das Tolle dabei: Ältere Leute bekommen hier etwas Neues zu hören, was schön klingt, aber auch anspruchsvoll und nicht banal ist. Und man kriegt die jungen Leute wieder zur Klassik.
Sind die jüngeren Zuhörer auch alle selbst Zocker?
Die meisten sind selbst Spieler, aber es gibt auch welche, die noch niemals Computerspiele gespielt haben und nach dem Konzert sagen: So, jetzt habe ich richtig Lust auf ein Spiel.
Glauben Sie, dass sich diese Fans dann auch mit Debussy oder Liszt befassen werden?
Ich habe das Gleiche bei mir erlebt. Erst über Jazz bin ich zur Klassik gekommen. Und wenn das bei mir geklappt hat, kann das doch auch bei anderen funktionieren. Außerdem spiele ich bei meinen Konzerten in der Zugabe auch Werke von Debussy.
Sie sind selbst ein begeisterter Videospieler. Gab es da nie Konflikte mit Ihrem Klavierspielerberuf?
Damit habe ich kein Problem. Meine Mutter hat mir – als ich klein war – nur am Wochenende das Videospielen erlaubt. Ich bin froh, dass sie damals so streng war, sonst würde ich heute wahrscheinlich nur noch vor der Konsole hocken.
Werden Sie von Ihren Kollegen in der Klassikszene schief angesehen, weil Sie sich auf Videospielmusik konzentrieren?
So langsam wird sie immer mehr anerkannt. Die schlimmste Hürde ist der Begriff „Videospiel“, weil die meisten da an Ballerspiele denken und sich nichts darunter vorstellen können. Nie würden diese Leute denken, dass es in diesem Genre bewegende, emotionale Melodien gibt.
Sehen Sie sich als Vorreiter auf diesem Markt?
Heutzutage ist es doch so, dass alle nach etwas Neuem suchen, um in der Klassik erfolgreich zu sein. Ich versuche einfach, die jungen Leute zu begeistern. Wenn man zum Beispiel in den Jazz kuckt, dann mischt sich doch alles. Jazz mit Pop, Jazz mit Rock, Jazz mit indischer Musik. Das mache ich auch. Computerspielmusik ist eigentlich auch eine Mischung aus Jazz, Klassik und Pop.
Florian Koch
Gasteig, Carl-Orff-Saal, 14. Oktober, 20 Uhr. Die CD "„Benyamin Nuss Plays Uematsu“ bei Deutsche Grammophon/Universal
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