Spielberg ist schuld
Zwei Experten über Ammenmärchen und die traurige Wirkung vom „Weißen Hai“. Eine Erklärung für die Hai-Angst: "Sie haben kein nettes Fell wie ein Teddybär mit dem uns rührenden Kindchen-Schema."
Heute startet die faszinierende Dokumentation „Sharkwater“ – ein Film, der zeigt, wie sehr wir diese Tiere brauchen. Aber die meisten Menschen denken bei Haien nur an das Schlimmste.
AZ: Mr. Stewart, Mr. Ritter, woher kommt das schlechte Image des Hais?
ROB STEWART:Ein Hai muss gegen vieles ankämpfen: Er kommt aus der Tiefe des dunklen Ozeans, also aus Sphären, die uns Menschen unheimlich sind. Dann gab es Seemannsgarn, um die Heldenhaftigkeit des Seemanns-Lebens zu erhöhen. Und da bieten sich Monster an, obwohl das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
ERICH RITTER:> Es gibt noch einen psychologischen Grund dafür, dass uns Haie unheimlich sind: Sie haben kein nettes Fell wie ein Teddybär mit dem uns rührenden Kindchen-Schema. Dann haben sie diesen starren Blick. Haie sind sehr kurzsichtig. Deshalb schwimmen sie auch ganz nah an Objekte heran.
Und dieses Objekt ist dann der Mensch.
STEWART: Ja, aber eben nicht, um ihn zu fressen. Spielberg ist mit seinem Film vor dreißig Jahren herausgekommen, als man nichts wusste über diese Tiere, die entscheidend sind für das Ökosystem Meer und damit für das gesamte Umweltsystem der Erde. Der Film heißt ja auf Englisch „Jaws“ – also: Kiefer. Es reduziert dieses Tier auf sein Maul. Dabei frisst ein Hai grundsätzlich nur, was er kennt und für ihn gut ist, egal, ob er Planktonfresser oder eine fleischfressende Art ist. Menschen sind da nicht vorgesehen.
Aber es werden doch Menschen von Haien gefressen.
Durch Haibiss sterben jährlich um die fünf Menschen. Durch Elefanten Dutzende mehr. Aber der Hai bleibt doch der hysterisch bekämpfte Feind.
RITTER: Es gibt keine gefährlichen Haie, es gibt nur gefährliche Situationen. Wenn es einen Unfall mit Haien gibt, hat der Mensch einen Fehler gemacht. Haie können nichts abbeißen mit ihrem Maul, sie kennen uns nicht und ich sage: Haie fressen keine Menschen, weil wir in ihrer Umgebung seit Millionen von Jahren auch gar nicht vorgesehen waren.
Sie selbst sind 2002 gebissen worden.
Ja, ein Mal bei jahrelanger täglicher Arbeit mit diesen Tieren. Und das passierte, weil ich testen wollte, wie sich Haie unter extremem Stress verhalten. Und diese Geschichten vom Surfer, der auf seinem Brett paddelnd vom Hai für eine Robbe gehalten und angebissen wird, ist ein reines Ammenmärchen.
Aber die Ängste der Menschen bleiben.
Ein Die Ängste vor Haien sagt nichts über den Hai aus, sondern über den Menschen, weil es unnatürlich ist. Ich mache Therapien mit Menschen mit Hai-Phobien. Und immer wird über das große, ängstigende Maul der Haie gesprochen: Im Vergleich zur Größe eines Tieres, das bis zu zweieinhalb Tonnen wiegt, ist es überhaupt nicht groß und hat sogar vergleichsweise kleine Zähne.
Hilft Ihnen die generelle globale Ökologie-Bewegung?
STEWART:Ja, es gibt bekloppte Typen, die sich dafür rühmen, Haie ausrotten zu können. Die geraten immer mehr in die Defensive. Und es gibt so eine Art von Öko-Piraten, die, ähnlich wie Greenpeace, Haikiller-Schiffe stoppen. Das sind die eigentlichen Helden.
Von Spielbergs „Weißem Hai“ bis hin zum Animationsfilm „Findet Nemo“ ist es ein großer Imagesprung für den Hai.
RITTER: Ja, weil Bruce, der Hai, jetzt in einer Selbsthilfegruppe für Haie ist, die nun wegen ihres schlechten Images und schlechten Gewissens Vegetarier werden. So etwas ist witzig, geht aber an der Realität vorbei. Doch der Spruch „Fische sind Freunde, kein Futter“, ist natürlich ein Superspruch.
Was raten Sie Leuten, die tauchen, um Haie zu sehen?
STEWART:Die neugierigen Haie einfach rankommen lassen. Die drehen dann ab, weil sie Menschen nicht kennen.
Was halten Sie von Hai-Shows.
RITTER: Tauchen ist teuer. Und für eine Familie ist es das Beste, sie schauen sich die Tiere im Zoo oder im Aquarium an, um Vorurteile abzubauen und die Faszination auf sich wirken zu lassen.
Adrian Prechtel
Kino: Atelier, Forum Kinos, Monopol, Museum Lichtspiele (OV)