Sphärisches Miauen aus dem Weltraum

Electro-Captain Jean Michel Jarre setzt sich in der Olympiahalle nostalgisch in Szene
von  Florian Koch

Spot an. Und los tänzelt er, dieser drahtige, langhaarige, ewig jung gebliebene Mittsechziger. Spontane Standing Ovations. Händeschütteln. Die Siegerpose sitzt. Man muss zweimal hinsehen, aber es ist nicht Mick Jagger, der als Einpeitscher für das Münchner Jean-Michel-Jarre-Konzert verpflichtet wurde. Es ist der Elektronik-Musik-Guru selbst, der mit aller Macht in der halbvollen Olympiahalle ein „Live- und Gemeinschaftsgefühl” erzeugen will.

Zu Beginn verschanzt sich der Elektro-Captain noch in sein Bühnencockpit, das mit seinen klobigen analogen Retro-Synthesizern wirkt wie die Brücke der guten alten „Enterprise”. Jarre und seine drei zurückhaltenden Crewmitglieder bleiben gleich in den 70ern, düsen mit Warpantrieb durch die melancholisch-blubbernden Space-Ohrwürmer „Oxygene 2” und „Equinoxe 7”. Fünf Laserstrahler zeichnen geometrische Formen auf den schwarzen Vorhang, auf dem Videoscreen rauscht man durch einen alten Synthesizer. Jarre versteht es, mit einer simplen Bildsprache Atmosphäre zu erzeugen und sich selbst in Szene zu setzen.

An einer giftig-grünen Laserharfe gibt der Bombast-Liebhaber den futuristischen Klangmagier, später hängt er sich noch ein Moog-Keyboard um, inszeniert sich als Elektro-Rocker oder zaubert ein sphärisches Miauen aus dem ohne Berührung bespielbaren Theremin. Jarres Auftritt ist ein zweistündiger Geschichtskurs in Sachen elektronischer Musik und auch ein Fingerzeig an all jene Künstler, die sich live hinter programmierten Arrangements verstecken.

Aber natürlich will der kindliche Knöpfchendreher auch zeigen, dass er noch lange nicht zum alten Elektro-Eisen gehört. Während Jarres Spiel mit einem iPad, auf das er listigerweise einen analogen Synthesizer projiziert, noch gewitzt ausfällt, geht die Zugabe in die Hose. Allerwelts-Techno-Beats animieren zwar zum Mitklatschen, ihnen fehlt aber Jarres individuelle Handschrift. Und im Handy-Lichtermeer legt Jarre dann auch noch sein vor Kitsch triefendes Jaul-Stück „Fin de siècle” auf – aber vielleicht ahnt er ja, dass seine Zeit wohl endgültig vorbei ist. 

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