Sommerlaunen
Joseph von Westphalen ist "Der Flaneur" - Vom Konto bis zum Wetter weiß er nun endgültig: Alles Psychologie!
Was wir aus den großen Krisen und Pleiten der letzten Zeit wieder einmal gelernt haben: dass die Welt der Wirtschaft und der Finanzen eben nicht nur aus Zahlen besteht, sondern auch aus Psychologie. Selbst ein Rechenkünstler wie Schäuble räumt das ein. Das hat einerseits etwas Beruhigendes, andererseits heißt es auch: Wenn die von einem Finanzminister gemachten Prognosen nicht zutreffen, liegt das nicht an seiner mangelhaften Rechenkunst, sondern an den Gemütsschwankungen der launischen Bevölkerung.
Stimmt schon, auch im Kleinen. Eben noch sah man auf Grund des dauerseichten Kontostands keinen rechten Sinn mehr im Leben, kaum aber kränkelt ein kinderloser Onkel, den man mal im Altersheim besucht und mit einer Schachtel seiner Lieblingszigaretten versorgt hat, schon regt sich Hoffnung auf eine kleine Erbschaft und macht das Leben wieder leichter. Die Stimmung steigt, man wird gleichsam zu seiner eigenen sich erholenden Börse.
Zum Glück muss nicht immer jemand sterben. Manchmal tut es schon ein verheißungsvoller Frauenblick, ein anerkennend gehobener Daumen, um uns wieder in Schwung zu bringen.
Was für die Welt- und Privatwirtschaft gilt, gilt auch für das Wetter. Aus den Vorhersagen wird man nicht schlau. Und auch die Analyse des Bestehenden schafft keine Klarheit. Der Sommer zum Beispiel. Sonnentage, Regentage, Niederschlagsmengen, alles messbar, aber vor allem besteht der Sommer aus Psychologie. So viele Befragte, so viele Einschätzungen. Gemecker und Schönrederei. Eine Gefühlsmischung aus diffuser Verbitterung und ebenso diffusen Hoffnungen macht sich Luft. Vier Wochen alt ist der Sommer, acht hat er noch vor sich. Doch auch wenn er vorbei ist, werden wir wieder nicht sagen können, wie er wirklich war.
