So eine Flocke will ich auch
Viel Jogging, wenig Tanz: Im Gärtnerplatztheater peppt Hans Henning Paar den „Nussknacker“ mit HipHop auf, doch der Abend bleibt beim besten Willen zum Familientheater ein wenig hölzern
Sollte der Winter zu warm für die weiße Pracht werden, hat das Gärtnerplatztheater vorgesorgt: Mit minutenlangem Schneefall und tanzenden Flocken entführt das Ensemble in „Nussknacker“ in eine Weihnachtswelt. Vor allem die kleinen Kinder juchzen als die Tänzer in ihren Plüschkostümen umher wirbeln, sich auf dem Bauch zu kugeln und wie Gummibälle gegeneinander prallen.
Einem Mädchen rutscht etwas zu laut raus: „So eine Flocke möchte ich auch, Mama.“ Und wahrlich! Es ist das schönste Bild des Abends, das einen nach der Pause in Adventsstimmung reißt.
Quirlig wie die Schneeflocken ist auch die Inszenierung: Tanzdirektor Hans Henning Paar hat seine Version von 1999 neu aufgelegt. Doch während die lebhaft-kitschige Choreografie bei den Flocken passt, gerät das Stück insgesamt zu unruhig. Aufregung gibt es gleich in den ersten Minuten, wenn sich das Ensemble seinen Weg durch den Zuschauerraum auf die Bühne bahnt. Eine nette Idee – nur das Warum bleibt offen.
Schwere Beine
Wenig später findet sich der Zuschauer sich in einem mit Geschenken vollgepackten Wohnzimmer wieder: Es ist der Heilige Abend bei Familie Schmidt. Doch die Kinder Fritz (Erik Constantin) und Clara (Hsin-I Huang) sind von dem Geschenk Onkel Drosselmeier (Krzysztof Zawadzki) enttäuscht: eine Nussknacker-Figur und ein Märchenbuch. Die einzig Glückliche an diesem Abend ist Oma Drosselmeier, die Tanzdirektor Paar selbst darstellt: Eine schrullige Alte, über die man schmunzeln muss, wenn sie zum Pas de deux mit dem Weihnachtsbaum ansetzt. In der Nacht wird Clara wach. Sie gerät im Krieg der Barbies und Roboter gegen den Nussknacker (Marc Cloot) zwischen die Fronten. Als sie unter der geschenkten Figur einen Prinzen entdeckt, beginnt eine Reise zu quatschenden Blumen, schrulligen Zwergen und einer leicht hilflosen Zuckerfee, die Audrey Van Herck mit Charme tanzt.
Paar möchte ein Familienstück auf die Bühne bringen. Ab und an gelingt es ihm mit HipHop-Einlagen zu Tschaikowskys Musik und mit bezaubernden Kostümen das Stück zu entstauben. Doch dieser „Nussknacker“ ist bunt, humorvoll und viel zu laut. In jeder zweiten Szene singen, brüllen oder quietschen die Tänzer. Bei so viel Effekt bleibt das Tänzerische zu weilen zurück. In einigen Passagen joggt das Ensemble so viel über die Bühne, das die Choreografie wie eine abgearbeitete Schrittfolge wirkt. Auch das Pas de Deux von Primaballerina Huang mit Cloot in der Titelrolle gerät etwas – nun ja, beim Nussknacker passt es eben besonders gut – hölzern. Lichtblick sind neben Oma Drosselmeier die wenigen ruhigen Minuten, wenn Cloot sich mit schweren Beinen in einen Prinzen verwandelt.
Anne Kathrin Koophamel
Wieder morgen und am 14., 20, 26., 28. 11 und im Dezember. Karten: 21 85 19 60
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