Showdown im Motel
Wie schwul ist „Eugen Onegin“? Heuer wird KrzysztofWarlikowskis umstrittene Inszenierung auf den Max-Joseph-Platz übertragen.
Das Schönste an der Oper ist der Streit über Aufführungen. Im Herbst lieferte Krzysztof Warlikowskis Version von „Eugen Onegin“ reiches Material für Debatten. Nun kann an der frischen Luft bei freiem Eintritt auf der Picknickdecke und mit einem Glas Sekt in der Hand am Max-Joseph-Platz weiter diskutiert werden.
„Ein schwuler Regisseur vergewaltigt eine heterosexuelle Oper“, schimpfte Christoph Schmitz im Deutschlandfunk. So einfach ist das nicht. „Eugen Onegin“ ist stark mit dem Leben des Komponisten verflochten: Als der homosexuelle Tschaikowsky im Mai 1877 an Tatjanas Briefszene arbeitete, erklärte ihm eine neurotische Verehrerin schriftlich ihre Liebe. Er wollte den Fehler Onegins vermeiden und heiratete sie. Die Ehe war eine Katastrophe.
Im zweiten Akt fordert Lenski seinen Freund wegen dessen Flirt mit Olga zum Duell. Den Regisseur überzeugte das nicht. „Es gibt etwas Verborgenes in Onegin, das ihn zu Lenski zieht“, sagte er zur AZ. „Beide wissen nicht von ihren Gefühlen, ähnlich wie die Cowboys in ,Brokeback Mountain‘. Onegin fühlt sich in der Falle und küsst Lenski vor allen Leuten.“
Zum Showdown kommt es im Doppelbett eines Motels mit Edward-Hopper-Tristesse. Lenski zieht sich in einer Mischung aus erotischer Provokation und Todessehnsucht vor Onegin aus, der in der Bedrängnis seiner Männlichkeit zur Pistole greift, den Versucher tötet und sich bei der Polonaise gegen halbnackte Männer zur Wehr setzt.
Diese Suche nach sexueller Identität passt nur in eine Zeit, die Liebe unter Männern tabuisierte. Deshalb wirkten die provinziell-bunten 1970er Jahre der Ausstattung schlüssig. Auch Kent Naganos Deutung provozierte: Er dirigierte Tschaikowsky ohne pathetische Drücker gegen das Russen- Klischee. Auch darüber wird in hoffentlich lauer Sommernacht laut gestritten werden.
Robert Braunmüller
Y13. 7., 19.30 Uhr, Eintritt frei