Sex, Lügen und Videos

Völlig daneben: Stefan Puchers Inszenierung Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ in den Kammerspielen
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Völlig daneben: Stefan Puchers Inszenierung Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ in den Kammerspielen

Ein Bild wie aus Abu Ghreib: Ein nackter Mann wird an der Hundekette inden Kerker geführt. Weil er seine Braut vor der Ehe geschwängert hat, soll Claudio sterben, denn der sittenstrenge Regent Angelo will im Sündenpfuhl Vienna jede verbotene Lust ausrotten. Mit Bildern aus Abu Ghreib, von Terror, Gewalt und allen Spielarten von Sex überfluten auch die furiosen Videocollagen von Chris Kondek die Bühne. Die sind das Beste an Stefan Puchers missratener „Maß für Maß“-Inszenierung in den Kammerspielen. Für seine flapsige Pop-Version des Shakespeare-Stückes erntete der Regisseur kräftige Buh-Chöre.

Um Recht, Macht und Korruption geht es. Herzog Vincentio hat lange die Gesetzes-Zügel schleifen lassen. Nun verreist er angeblich und der Tugendbold Angelo soll als Statthalter für Zucht und Ordnung sorgen. Als die fromme Schwester des Verurteilten um Gnade bittet, wird der Moralapostel selbst schwach und fordert als Gegenleistung Sex.

Ein Fest der Regietheaterklischees

Pucher denunziert alle Figuren als bigott, verlogen und korrupt, teils auch durch die Kostüme (Annabelle Witt). Christoph Lusers Angelo ist ein verklemmter Psychopath in enger Pelerine und schwarzen Lederhandschuhen, ein sadistischer Tartuffe. Der Politik-Pragmatiker Escalus (Wolfgang Pregler) lässt sich offenbar auch mal von einer verhafteten Domina bedienen. Und die angehende Nonne Isabella (Brigitte Hobmeier) trägt Amy-Winehouse-Beehive und blutrote Lippen. Lieber opfert sie ihren Bruder als ihre Ehre, aber im Gespräch mit Angelo formen ihre Hände ein Dreieck vor ihrer Scham.

Die Nebenfiguren sind reine Klischees: Ein verschwuchtelter Zuhälter (Walter Hess), ein Kerkermeister in Rockermontur, hinkend wie Quasimodo (Stefan Merki), Angelos Ex- Verlobte ein Pop-Girl mit Pink-Perücke (Tabea Bettin). Nur der Bösschwätzer Lucio gewinnt bei Peter Brombacher ein wenig Kontur. Vor bunt gemusterten Schiebewänden (Bühne: Barbara Ehnes) vertreten alle ihre (Un-)Moral in statischen Fensterreden frontal zum Publikum – Spannung kommt da nicht auf. Jens Roselts Slang-Übersetzung versext und vereindeutigt alles: „Mach dich auf meine Geilheit gefasst“, droht Angelo.

Plakativ, um's noch nett zu sagen

Nur Thomas Schmauser als Herzog darf der Spiellust nachgeben: Verkleidet als Mönch mit Disco-Kapuzenjacke ist er ein überforderter Undercover-Strippenzieher, der die Hosen runterlässt und sich mit einem Rap-Monolog anbiedert. Im völlig zerfasernden Schluss improvisiert er wie ein billiger Showmaster und zwingt Marianna und Angelo bei der Verheiratung in die Position kopulierender Hunde. So plakativ, überdeutlich und geschmäcklerisch ist das Meiste in dieser humorlosen Inszenierung, die ihr Publikum für dumm hält.

Gabriella Lorenz

Kammerspiele, 20., 23., 31.1., 19.30 Uhr, Tel.23396600

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.