Separiert im Schmelztiegel

Tom Wolfes Miami-Roman "Back to Blood" behandelt humorvoll die moderne Kunstwelt und die multiethnische Gesellschaft
von  Volker Isfort

Tom Wolfes Miami-Roman "Back to Blood" thematisiert humorvoll die moderne Kunstwelt und die multiethnische Gesellschaft

]Stolze 81 Jahre alt er inzwischen, das merkt man seinem Stil allerdings keine Sekunde lang an. Der Mann der vor einem halben Jahrhundert gemeinsam mit Truman Capote und Norman Mailer zu den Gründern des „New Journalism“ gehörte, hat noch immer das Gespür für die heißen Themen der Gegenwart. In seinem neuen Roman „Back to Blood“ gelingt Tom Wolfe ein grelles, sarkastisches Gesellschaftsdrama der multiethnischen Stadt Miami.

Die Wasps, die angelsächsischen, weißen Protestanten, gehören hier zur „aussterbenden Art“, dafür schwelt ein Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen, die in den letzten fünfzig Jahren eingewandert sind und mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellen: Südamerikaner, Haitianer und vor allem Kubaner. Ein falsches Wort, eine falsche Geste und schon brodelt es im Kessel. Denn das Zusammenleben basiert auf einer einfachen Formel, wie es im Roman heißt: „Alle hassen alle.“

Der in Miami geborene Kubaner Nestor Camacho holt in einer spektakulären Rettungsaktion einen kubanischen Flüchtling vom Mast einer Luxusjacht. Und bringt sich dabei in ein Dilemma. Einerseits folgt er nur dem Befahl seiner weißen, latent rassistischen Vorgesetzten. Andererseits bringt er den Flüchtling um die Früchte seines lebensgefährlichen Odyssee. Hätte er ungehindert Land betreten, wäre er automatisch als politischer Flüchtling anerkannt. So macht Camachos von lokalen TV-Kameras festgehaltene Rettungstat dem armen Kubaner seine Hoffnungen zunichte - und Camacho selbst wird deswegen von seiner Familie verstoßen.

Auch seine wunderschöne Freundin flieht lieber in die Arme eines sexbesessenen Sextherapeuten für den sie arbeitet. Bis sie in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen auf den russischen Oligarchen Koroljow stößt. Dieser hat der Stadt etliche millionenschwere Kunstwerke vermacht, weshalb das Museum nun seinen Namen trägt. Bis das Gerücht auftaucht, die Bilder seien womöglich gefälscht.

Wolfe, der erst im Alter von 56 Jahren mit seinem Weltbestseller „Fegefeuer der Eitelkeiten“ als Romanautor debütierte, erntete für „Back to Blood“ auch eine ganze Menge Häme. Die Satire auf die moderne Kunstwelt der Art Basel Miami gehört nicht zu den stärksten Stellen des Buches. Die Verlogenheit moderner Kunst hat Michel Houellebecq in seinem Roman „Karte und Gebiet“ wesentlich schärfer seziert. Auch geht Wolfes Neigung zu lautmalerischer Comicsprache bisweilen auf die Nerven und nicht jede seiner Figuren erhebt sich über das Niveau einer platten Karikatur.
Aber wie er Nestor Camacho, als Mann, der eigentlich nur Gutes tun will, von einem ethnischen Fettnäpfchen ins nächste stapfen lässt, das hat große Klasse. Und schließlich sind es Wolfes Humor, und seine genaue Kenntnis der menschlichen Schwächen, die diese Geschichte über die 760 Seiten retten.

Tom Wolfe: „Back to Blood“ (Blessing, 768 Seiten, 24.99 Euro

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