Selbstmord mit Revolver

Oasis wollen jetzt die Beatles sein und machen so ihr neues Album zur Peinlichkeit.
von  Abendzeitung

Oasis wollen jetzt die Beatles sein und machen so ihr neues Album zur Peinlichkeit.

Bei Oasis, die Anfang der 90er Jahre den Brit-Pop und eine neue Rotzigkeit fürs massentaugliche Rock-Format erfunden haben, war Selbstüberschätzung schon immer ein Teil des Konzepts. Am Anfang funktionierte die Mischung aus Rock-Genie und Großmaul-Wahnsinn ziemlich gut. Nach 50 Millionen verkauften Tonträgern kamen dann aber eine Durchhängephase, jede Menge Schlagzeilen abseits von Bühne und Studio sowie die Reduzierung der Ur-Mitglieder auf die Brüder Liam und Noel Gallagher. Jetzt sind sie wieder da mit dem neuen Album „Dig Out Your Soul“ – und machen sich endgültig lächerlich. Oasis wollen nicht mehr wie früher die Tradition der Beatles fortführen, sie wollen die Beatles sein. Das kann nicht funktionieren.

Schon im Vorfeld der Veröffentlichung hieß es, dass die Gallagher-Brüder bei ihrer Suche nach einem Sinn für die irgendwie ausgebrannte Band Fab-Four-Elemente direkt adaptieren wollen. Es war dann ihr früherer Entdecker Alan McGee, der medienwirksam den Satz in die Welt setzte, „Dig Out Your Soul“ wäre das neue „Revolver“. Damit hat er Oasis keinen Gefallen getan. Denn nach der Ansage springen sie einem umso unvermittelter ins Gesicht, die unzähligen Beatles-Versatzstücke, die aus einem im Kern passablen Album letztendlich ein peinliches machen.

Torkeln und Mitsingen

Gleich zu Beginn fällt bei „Bag It Up“ die spezielle Art des mehrstimmigen Gesangs auf, dann torkelt mit „Waiting For The Rapture“ ein „Cold Turkey“ vorbei, und zu „High Horse Lady“ kann man gleich „Give Peace A Chance“ mitsingen. So geht’s dann weiter: „I'm Outta Time“ soll wohl den späten John Lennon integrieren, „To Be Where There’s Life“ versucht sich am Sitar-Gesäusel (hat eine Band namens Kula Shaker vor vielen Jahren mal besser gemacht), pseudo-mysteriöse Geräusch-Einsprengsel von knirschenden Schritten oder klimpernden Xylophonen versuchen die Aura des Geheimnisvollen herbeizuzwingen.

Ansonsten blähen sich die meisten Songs auf, bis nur noch ein großer Soundwall dasteht, aber das war ja schon Oasis-Prinzip in besseren Zeiten. Mindestens drei wirklich geniale Gitarrenriffs sind auch auf der Platte, sicher. Aber eine so durchgeschrammelte Rhythmusgitarre wie in „The Shock Of The Lightning“, dem nach Bandauskunft „unmittelbarsten Oasis-Song aller Zeiten“, hätten die Beatles 2008 nicht mal als Klingelton herausgebracht. Die Beatles zu ehren, das wäre ja eine gute Sache. Deren Nachfolge für sich zu reklamieren, endet im Desaster.

Michael Grill

Oasis: Dig Out Your Soul (Big Brother/Indigo)

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