Seine Erotik haut ihn um
Natürlich würde ihn das amerikanische „People Magazine” zum „Sexiest Man” wählen, wenn auch nicht „alive – lebend”, sondern tot. Der Opern-Casanova Don Giovanni wird in Pasing nicht nur zur Hölle gewünscht, sondern wirklich befördert: von Verflossenen, Neidern, Spießern und Verrätern. Denn seine Chronique scandaleuse macht die anderen Männer mehr als nervös.
Und so wird in der fantastisch-witzigen, aber niemals blödelnden und am Ende bluternsten Inszenierung von Julia Dippel kein unmoralischer Schürzenjäger mit moralischem Happy End zur Strecke gebracht. Sondern der moderne Held, ein libertinärer Freigeist, ist das Opfer von Leuten, die aggressiv reagieren, weil sie es mit der grandiosen erotischen Ausstrahlung Don Giovannis nicht aufnehmen können.
Das „Kleinste Opernhaus Münchens” ist wieder weder musikalisch noch von der Bildgewalt her winzig. Und es ist auch noch schneller als die großen Opernhäuser. Jedenfalls kann man nicht nur die Kachelmann-Diskussion, sondern auch noch den brandaktuellen Dominique-Strauss-Kahn-Fall beobachten.
Donna Anna (stimmlich schön scharf: Anne Wieben) unterstellt aus schlechtem Gewissen für ihren gierigen Seitensprung zur Ouvertüre eine Vergewaltigung. Ihr softer, betrogener Verlobter Ottavio (Philip Carmichael) soll sie jetzt rächen. Die so angenehm weder feministische noch moralinsaure, sondern geistreiche Regie setzt nicht auf eine ins Parkett hineinragende Mitspielbühne – nur einmal probiert Giovanni seine Verführungskünste an einer Dame aus der ersten Reihe aus. Sondern die feierliche, und doch witzige Show-Treppen-Bühne mit Bett am Höhepunkt und umgebender Schönheiten-Galerie ist wieder strenger frontal.
Hier stöckelt elegant, aber rasend wütend (mit Voodoo-Puppen-Vernichtungszauber) und doch auch hin- und hergerissen sehnsüchtig (lässt sich vom falschen Spiel noch einmal betören) Donna Elvira herum. Maria Helgath singt sie packend ausdrucksstark. Und dass sie deutlich schwanger ist, passt wunderbar zur vorausgegangenen Heiratsschwindler-Geschichte. So ist die geistreiche Pasinger Inszenierung von Mozarts – pointiert eingedeutschtem – Klassiker nie vergagt, dabei aber äußerst amüsant.
Dazu trägt entscheidend auch Tibor Brouwer als stimm-eleganter Don Giovanni bei. Überhaupt ergibt sich eine akustisch gute Balance zwischen dem Kammerorchester und den Sängern, wie auch Sven Fürst als Leporello seinem Herren Don Giovanni stimmlich ebenbürtig ist. Won Jang ist doppelt stimmstark: als Komtur und als Masetto im Duett mit seiner leichtlebig, leicht metallisch vulgär angelegten Zerlina (Kristi-Anna Isene). Stürmischer Applaus gebührt bei alledem dem genialen musikalischen Leiter Andreas Pascal Heinzmann für soviel klangschönen Schwung in der akustisch schwierig trockenen Situation der Pasinger Wagenhalle.
So ist dieser „Don Giovanni” ein Höhepunkt der schon zehnjährig großen Tradition am „Kleinsten Opernhaus Münchens”. Die nächsten Termine sind bei schönem Wetter erst einmal im Innenhof der Blutenburg, bevor „Don Giovanni” wieder in die Wagenhalle der Pasinger Fabrik zurückkehrt.
Bei schönem Wetter open air auf Schloss Blutenburg bis zum 26. Juli, jeweils um 20 Uhr. Und ab Donnerstag kommender Woche wieder in der Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1, Do – So, 19.30 Uhr, bis 21.8., 25 bis 33 Euro, Tel. 82929079
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